Sandsteine, Steinbrüche und Steinhauer
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- Kategorie: HISTORIC
- Erstellt am Dienstag, 24. Januar 2012 22:46
- Zuletzt aktualisiert am Freitag, 27. April 2012 23:48
- Geschrieben von J. Riedinger
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Geologische Sandsteinentwicklung
Jetzt schon geben wir unserem geduldigen „Lapisarius" das Wort. Er murmelt uns versteinert zu,
dass sich in seinem Steinhaus eine versteckte Kammer befindet. Dieses Geheimnis zu lüften obliegt
allerdings seinem Sohn „Flavius", welcher zu gegebener Zeit in einem eigenen Kapitel darüber berichten wird.
Als kleines Sandkorn von 0,1 mm Durchmesser befindet sich „Flavius" in einer Dachkammer oben rechts
in meinem Steinhaus. Er gibt sich nun die Ehre, Euch Erdlingen seine Geburt und unsere Herkunft zu erklären.
Geboren bin ich vor etwa 80 Millionen Jahren im damaligen skandinavischen Massivgebirge, oberhalb von
Schweden, fast beim heutigen Spitzbergen. Meine Eltern und ich wurden durch Abspaltungen, hervorgerufen
durch tektonische Kräfte, aus dem Fels gerissen und hunderte Kilometer durch die Luft geschleudert. Ich war
noch dick und fett, fast so groß wie eine Nuss. Magnetische Kräfte haben uns jetzt zu einem Block zusammengefügt.
Als ganzer Felsbrocken mit vielen unförmigen Ecken und Kanten vom 10x10x10 cm Größe sind wir fast 30 Millionen
kalte und heiße Jahre durch das germanische Becken Richtung Süden gerollt, gerutscht und geschleudert. Das sind
400 Millionen mal Vollmond. Dabei haben wir ganz arg abgenommen. Als vor 509 Millionen Jahren das Meerwasser
zum letzten Mal in den Kraichgau vordrang, bin ich zusammen mit meinem außerirdischen Freund „Candidus" von
nur 0,08 mm Durchmesser hier angeschwemmt. Weil ,Candidus" als Quarzkorn wesentlich leichter als ich war,
wurde er in den folgenden 10.000 Jahren mit zig Millionen gleichartiger Quarzkörner Qber den Heuchelberg zum
Stromberg nach Pfaffenhofen hinüber geschwemmt und gründete dort den weißen Sandstein von Pfaffenhofen.
Ich hingegen wurde zusammen mit meinen Eltern hier am Hartwaldabhang mit Milliarden gleichartiger gelber
Sandkörner in die abgestorbenen Pflanzenreste hinein verschlungen und zusammengepresst. Nach 100.000
Jahren waren wir schon ein. beachtlich großer Klumpen, bis wir nach etwa zwei Millionen Jahren eine kompakte
Schicht am heutigen Jägersitz-Steinbruch bildeten. Oberhalb unserer Köpfe setzte sich zuerst bunter Mergel,
danach eine dünne Schicht großkörniger Stubensandstein ab. Durch diese Druckbelastung wurden wir immer
stärker aneinander gedrückt. Damit nicht genug, ganz oben legte sich noch eine zwei bis drei Meter dicke Schicht
kalkarmer Tonlehm an, zum Schluss fegte der Wind auch noch den aus Trockenwüsten entstammenden Löß obendrauf.
In den folgenden zehn Millionen Jahren sind wir mit karbonatischem Bindemittel zusammen mit den Pflanzenresten und
einem gewaltigen Druckprozess chemisch zu dem heutigen Schilfsandsteingefüge geworden.
Die ständigen Stürme und Winde, welche fast ausschließlich Richtung Süden wehten, trugen dazu bei, dass sich in
den Schichten der Nordseite ein besserer Stein entwickelte. Die abstrahlende Windtätigkeit führte dazu, dass sich in
den versteinernden Nordseiten die schwächeren, nicht sehr verpressten Schichten abgetragen und durch die
Meereswellen verfestigt hatten. Im Windschatten der Südseiten hingegen lagerte sich der Flugsand neu ab, konnte
sich aber nicht aufs Neue verfestigen. Beim letzten Zurückweichen des Kraichgauer Meerbusens vor 30 Millionen
Jahren entwickelte sich ein Steppenklima mit urzeitlichen Lebewesen und dürftiger Flora.
In dieses karge Leben brach vor 15 Millionen Jahren ein Inferno unvorstellbaren Ausmaßes herein. Mit einer errechneten
Geschwindigkeit von 30 Km/Sekunde schlug ein gigantischer Komet von 1,5 Km Durchmesser beim heutigen Nördlingen
einen Krater von 22 Km Durchmesser in die Erdoberfläche. Beim Einschlag verdampften 3,5 Km3 Erde und Stein, weitere
130 Km3 Steinbrocken wurden bis zu uns geschleudert. Als dieser Komet zuschlug, wurde „Flavius" in einem enormen
Gerüttel beinahe von seiner Sippe getrennt. Doch das Schicksal war ihrem wohlgeformtem Steinblock gnädig und die Familie
„Lapisarius" konnte wie durch ein Wunder zusammengehalten werden In den Epochen der kommenden Jahrmillionen gab
es ideale Voraussetzungen für neues tierisches und pflanzliches Leben. Von welchen heute noch Einige bei uns existieren.
Durch die nun folgenden Wechselbäder an heißen und kalten Zeiten entwickelte sich der Stein der Familie „ Lapisarius" zu
einem so genannten harten Kosakenstein.
Vor etwa einer Million Jahre kam die Erde zwar nicht zur Ruhe, aber unser heimatiches Gebiet fand mit dem Ende der
letzten Eiszeit seine gegenwärtige Form. Die Meeresbucht des Kraichgaus entleerte sich in Sturzbächen zum Rheingraben
und hinterließ Bachläufe wie die Kohlbach, sumpfige Talauen und fruchtbares Ackerland.
Etwa vor 2500 Jahren hörte ,Flavius" das Gelatschte eines einzelnen Jägers und Sammlers, auch stellte sich das
Getrampel von Pferden und Ochsen ein. Es kam der Tag, der kommen musste. Gefährlich nahe bei Flavius gruben
einige Sklaven den Lehmboden auf. Vielleicht galt ihre Suche dem wertvollen Salz, das zu dieser Keltenzeit in Sulzfeld
entdeckt wurde. Deshalb durchstießen sie auch die Mergelschicht und landeten neben unseren Köpfen.
Einige Meter weiter wurden alsbald die erste Steine aus dem Jägersitz-Steinbruch herausgebrochen.
Aus diesen Sandsteinblöcken meißelten sie viele ihrer verschiedenen Götterstatuen und stellten diese mit
Sandsteinstelen umgebenen Versammlungsplätze auf.
Die oberen dünneren Gesteinsschichten verwendeten sie als Abdeckplatten für ihre damals üblichen Steingräber.
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