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Sandsteine, Steinbrüche und Steinhauer

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Geschichten und Anekdoten


Die Anekdote vom leeren Essgeschirr

Es war eine alte Sitte, dass Mütter und Frauen ihren Söhnen und Männern zur Mittagszeit das Essen auf dem Kopf tragend in die Steinbrüche brachten. So lieferten gruppenweise die Frauen das tägliche Mittagessen für zehn Pfennige pro Essen zu den hungrigen Steinhauern. In den gefiochtenen Wäschekörben konnten die Frauen bis zu zehn Essen, abgefüllt in ovalen Blech- oder Alugeschirren mit Klemmdeckelverschluss, verstauen. Um die Wärme für den eine Stunde dauernden Transport zu halten, wurde der Korb mit Stroh oder Heu isoliert mit Tuch ausgeschlagen und abgedeckt.

Es gab aber immer mal Zeiten, in denen die Bierstrichliste am Kiosk oder Gasthof länger war als der Verdienst. Das sind die glorreichen Zeiten, in denen die bessere Hälfte entscheidet, wie es weitergehen soll. Manche Frauen waren beeindruckend erfinderisch, dieses Übel abzustellen, Sie suchten und fanden Wege, auch ohne Psychologen, etwas tiefer in das Unterbewusste ihrer Mannsbilder vorzudringen.
So lieferte einmal eine ganz Schlaue ihrem Vermählten ein leeres Essgeschirr. Als der Hungrige dieses öffnete, fand er auf dem leeren Boden nur eine einsame Gabel liegend, die ihm recht ironisch Rätsel aufgab. Seine Holde aber bedrängte ihn, doch endlich kräftig zuzulangen und richtig zu essen. Entwaffnend, aber mit Bauernschläue begabt, erwiderte er spöttisch, „jetzt ess i heid erschd recht nix“ und schloss laut kleppernd das Essgeschirr. Ich kann mir recht gut vorstellen, dass das Denken bei diesem durstigen Steinhauer irgendwann einsetzen
musste und die Bierstrichliste wurde nicht mehr länger als der Verdienst.
 

Die Geschichte der verbogenen Äste

 
Der Sulzfelder Ortspfarrer und Dekan des Kirchenbezirks Eppingen, Emil Purpus, besuchte 1896 wieder einmal seine Steinhauerschäfchen im Steinbruch. Es war an einem Montag, an dem die Steinhauer meistens „blau" machten. Auf einer 200-jährigen Eiche, die bis zu den Ästen mit Steinschutt angefüllt war, lungerten, saßen und lagerten eine große Anzahl an betrunkenen Steinhauern. Es war Sommer, heiß und durstig, deshalb boten die verbogenen Äste der alten Eiche mit ihren noch grünen Blättern den johlenden Steinhauern ihren benötigten Schatten. Pfarrer Purpus hat zu seinem Entsetzen diese Trunkenbolde in flagranti ertappt. Sie begrüßten ihn feucht fröhlich und forderten ihn auf, auch einen kühlen Trunk unter den verbogenen Ästen der alten Eiche zu sich zu nehmen, Er lehnte ab und verließ zornesrot im Gesicht fluchtartig den Steinbruch. Am folgenden Sonntag machte Dekan Purpus seine Wahrnehmung im Steinbruch zum Gegenstand einer heftigen Moralpredigt an die Gemeinde. Er ermahnte die Familienväter zu einer gesitteten Lebensweise. Nach der Überlieferung wetterte Pfarrer Purpus mit folgenden Worten von der Kanzel: „Als ich die Steinbrüche betrat, bogen sich die Äste unter der Last der Betrunkenen."
 

Die Attacke einer Wasserholaktion

Die Standpredigt ihres Pfarrers haben sich die Steinhauer zu Herzen genommen und tranken bis in den Nachmittag hinein kein Bier mehr, sondern Wasser. Allerdings musste es frisches Quellwasser von der Kohlbach sein. Die Lehrlinge mussten das Wasser flugs und sofort holen. Jede Steinhauergruppe hatte sicherheitshalber ihre Lehrlinge zeitversetzt zum Wasserholen geschickt. Das nützte aber nichts, denn sie sind trotzdem im Wald beim Herum strolchen zusammen getroffen, vergaßen das Wasserholen und wehrten um die Kohlbachquelle eine nachgestellte Attacke der Franzosen ab. Die Steinhauer waren fast verdurstet und konnten ihre staubigen Kehlen nicht mehr frisch halten. Die Lehrlinge kamen mit den vollen Suttenkrügen einfach nicht wie üblich pfeifend und rechtzeitig zu den Arbeitshütten zurück. Sie waren über eine Stunde verschollen. Jetzt wurde des dem Steinhauermeister Kern zu dumm. Er nahm einen Stock, umwickelte ihn vorne mit Stroh und ging in Richtung Kohlbachquelle. Sein eigener Lehrling sah ihn kommen und suchte schnell einen verborgenen Weg, auf dem er gebückt und unbemerkt, aber mit vollem Suttenkrug entwischen konnte. Die Lehrlinge der anderen Steinhauermeister sind nicht abgehauen und haben dem wutentbrannten Steinhauermeister Kern schreiend mitgeteilt, ,wir schaffen doch nicht bei Euch, deshalb dürfen Sie uns auch nicht verhauen." Meister Kern antwortete ,das ist mir jetzt egal, heute bekommt Ihr alle Streiche."
Bei dieser Attacke schlug Meister Kern auch den Suttenkrug eines anderen Meisters kaputt. Als er schnaubend vor Wut zu seiner Bauhütte zurückkam, fragte ihn sein eigener Lehrling, ,ha, wo waren Sie denn so lange. Hier ist das frische Quellwasser." Der Meister, seine Arbeiter und zum Schluss der Lehrling löschten ihren Durst und alles war gut.
 

Die Steinstory von Weinheim

Alfred Kern erhielt in seinen Lebenserinnerungen eine historische Begebenheit seines Großvaters Johann Kern fest.
Es betrifft den Schulhausneubau mit Sulzfelder Sandsteinen in Weinheim an der Bergstraße.
Der Transport der vorgearbeiteten Sandsteine erfolgte mit der Eisenbahn nach Weinheim. Dort angekommen, gestaltete sich schon zu Beginn das Verhältnis zu dem Polier der Baustelle als schwierig. Er verweigerte die Abnahme der angelieferten Sandsteinblöcke. Obgleich selbige eiligst ersetzt und nachgeschickt wurden, fanden sie erneut weder Abnahme noch Vergütung. Somit spitzte sich die Krise an der Bergstraße zu, die Arbeit blieb liegen und die Maurer haben sich auf Kosten des Steinhauermeisters Johann Kern kräftig einen hinter die Binde gegossen.
Bei der dritten Anlieferung wollte sich aber Johann Kern die Angelegenheit trotz penibel kontrollierter Steine nicht entgehen lassen. Der Weinheimer Bauführer begann nun abermals nach seinem Gutdünken Steine auszusortieren und abzulehnen. Ein Wort gab das andere und jetzt platzte Johann Kern der Kragen. Er schlug mit einem krummgewachsenen Stock solange auf den Polier ein, bis dieser zusammensackte. Danach wurde Johann Kern verhaftet und hinter Schloss und Riegel gebracht. Dort beobachtete er sehr genau die gehauenen Steine der Zuchthausmauer und stellte fest, dass deren Passgenauigkeit auf keinen Fall besser war, als die seinen.
Die Belieferung der Steine für den Schulhausneubau wurde ihm entzogen und seine Steine per Reichsbahn zum Rückzug befohlen.
Der Bausteinauftrag wurde danach an einen Mühlbacher Steinbruchbetrieb vergeben. Der neue Zulieferer aus Mühlbach hat die Kern'schen Steine übernommen und ohne Abladen oder irgendwelche Änderungen vorzunehmen, mit dem gleichen Reichsbahnzug nach Weinheim zurückgeschickt. Jetzt wurden die gleichen Steine von dem zwischenzeitlich wieder auf den Beinen stehenden Polier anstandslos abgenommen.
Johann Kern wurde nach drei Tagen wieder aus dem Gefängnis entlassen und musste jetzt dies Alles zu seinem Entsetzen erfahren.
In Sulzfeld angekommen, hat er auf Anraten seiner Frau um eine Audienz bei Baron August von Göler ersucht. Der Baron war guter Laune, hat Johann empfangen und hörte seine Probleme an. Da die Bauleitung des Schulhausneubaus von Weinheim großherzoglich war, konnte der Baron durch seine Beziehungen die Angelegenheit regeln. Johann Kern bekam die gelieferten Steine bezahlt und sämtliche Unkosten fielen weg. Jetzt wurde ein Umtrunk mit einem dreifachen Hoch auf den Baron veranstaltet.

Manfred Himmel

 

RSS Icon Kommentare (2)

  • Gottfried Eigenmann, CH4106 THERWIL, Schweiz
    Auf der Suche nach Info zu Sulzfelder Steinbrüchen und Steinmetzen um das Jahr 1900 (+-) bin ich auf Ihren Artikel gestossen. Mein Vater, der in Sulzfeld aufwuchs, arbeitete zu dieser Zeit in einem dieser Steinbrüche und wanderte um 1900 - 1913 in die Schweiz aus. Es gibt dürftige Hinweise, dass er auch in Basel am Münster arbeitete. Gibt es weitere Hinweise, die das in mehr Detail beleuchten würden. Ich habe vor einigen Jahren eine Zusammenstellung der EIGENMANN Familien im Kraichgau verfasst. Eine kurze Antwort zu meiner Frage würde mich sehr freuen. Freundliche Grüsse - Godi Eigenmann, Therwil, Schweiz
  • Nikolai Wandruszka
    Meine beiden Urgroßväter hatten hiermit zu tun: Christian Pfefferle (1885-1932) war Steinbrecher, ere wohnte anfangs "bei Straub im 2. Stock neben dem Gasthof Engel in der Hauptstraße zur Miete. Sein anfänglicher Besitz (1891) bestand in einem Acker und einer Ziege. Am 7.4.1897 erwirbt er von Wilhelm Wolfmüller das Grundstück nr.340 (Hofraite im Ortsetter von 7 a 74 qm) und den 2. Stock des Wohnhauses nr.152 mit gewölbtem Keller unter dem Balkenkeller, samt Scheuer mit Stall sowie die zwei unteren Schweineställe in der Neuhöferstraße für 2800 Mark. Mit dem Kauf von zwei Äckern 1898 erfolgte die Erwerbung der ersten Kuh im selben Jahr. Am 9.1.1903 Verpflichtung zum Gemeinderat. Es folgten weitere Landerwerbungen und schließlich 1911 sein erstes Pferd. Im Februar 1920 konnte er schließlich den unteren Stock des Hauses in der Neuhöferstraße erwerben, wo seine Mutter dann lebte. Er hatte sich vom Steinbrecher zum besitzenden Landwirt hochgearbeitet. 6.6.1926 Teilnahme am 50jährigen Stiftungsfest des Militärvereins Sulzfeld". Der andere Urgroßvater Jakob Mehl (1857-1934), der "Brettemer Mehl" war Arbeiter am Tunnelbau (1870er Jahre), bevor er 11 Jahre als Kutscher und Hausdiener im Hotel Krone Post in Bretten arbeitete (Quelle:"Alt und lebenssatt" - Ahnenliste Mehl/Pfefferle (7.4.2019))

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