Der Neuhof

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Kategorie: HISTORIC
Erstellt am Dienstag, 24. Januar 2012 22:07
Zuletzt aktualisiert am Dienstag, 24. Januar 2012 23:58
Geschrieben von J. Riedinger
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Der Neuhof und seine Geschichte

 

Recherchiert von Manfred Himmel


neuhof sw

Der Sulzfelder Neuhof an der Bundesstraße 293 wurde 1792 von Kad Wilhelm Göler von Ravensburg aus der Ferdinandischen Linie als Gutshof mit Schlösschen, Scheunen, Verwaltergebäude und Gesindehaus erbaut. Der Neuhof bekam die Hausnummer 1.

Weil das Wort "Aussiedlerhof" damals noch nicht geläufig war, nannte Karl Wilhelm Göler den Gutshof "Neuhof'.

Der alte Gölersche Gutshof liegt heute noch links neben dem Mittleren Schloss im jetzigen Rentamthof.

Alle anderen Bauernhöfe lagen innerhalb des sehr engen Ortsetters, zum Beispiel im 12. Jahrhundert beim Obertor, Hauptstraße / Gartenstraße; im 13. Jahrhundert beim Untertor, heute Hauptstraße / Königstraße (unteres Schloss), im 14. Jahrhundert beim Keltertor gegenüber dem Rentamt.

Auch wurden seit 1433 drei Höfe von dem Heidelsheimer Hospital als Besitzer an Sulzfelder Untertanen erbbeständig verliehen.

Um den Neuhof finanzieren zu können, hat Karl Wilhelm Göler östlich, außerhalb des ummauerten Gutshofs, fünf Grundstücke an Gutshofarbeiter verkauft. Die Familien der Käufer steckten alles Ersparte in den Kauf und in das darauf gebaute Siedlungshaus hinein.

Als Sicherheit bekamen die Käufer eine lebenslange Arbeitszusage im Gutshof, welche allerdings mit dem Tod des Erwerbers erloschen war.

Der Gutshof mit Schlösschen ging 1818 durch Vererbung an Johann Friedrich Göler von Ravensburg über, der ihn aber nicht halten konnte. Deshalb wurde der Gutshof von Ferdinand Göler von Ravensburg zusammen mit seinen Brüdern Karl und Ernst für 32.500,00 Gulden und 86 Morgen Land und Wiesen gekauft.

Ferdinand wohnte ab 1833 im Schlösschen, zog aber 1877 nach Mannheim, wo er als Major diente.

Noch im 16. Jahrhundert war die heutige Bundesstraße 293 nur ein Ortsverbindungsweg zwischen Eppingen, Zaisenhausen und Gochsheim. Die Zufahrt zum Neuhof von Sulzfeid aus konnte nur über den Gießhübelweg erreicht werden.

Erst nach 1800 ist dieser Gießhübelweg in Neuhöfer Weg umbenannt worden.

1825 wurde die heutige B 293 zur Landstraße von Eppingen nach Bretten ausgebaut.

Im Dritten Reich, im Jahre 1938, ist dann diese Straße aus militärischen Gründen zur Bundesstraße 293 von Karlsruhe nach Heilbronn erklärt worden.


1850 wurde die Rohrbacher Hohl als Verbindung zur Landstraße von einem Ortsverbirtdungsweg nach Rohrbach zum Zubringer für die Landstraße ausgebaut. Direkt an der Einmündung vom Rohrbacher Weg in die Bundesstraße kreuzte vor 2000 Jahren laut Karl Dettling ein Römerweg den Feldweg nach Zaisenhausen.

Das Neuhof-Schlösschen kann man heute noch genauso wie es 1792 erbaut wurde, bewundern. Es ist dem klassizistischen Weinbrenner-Stil mit Walmdach, Französischem Balkon, Sprossenfenster, Klappläden und rund profiliertem Fensterbank-Gewände nachempfunden.

Nachdem 1825 die Landstraße direkt am Schlösschen vorbei erbaut wurde, hat man aus Sicherheitsgründen den Haupteingang von vorne nach hinten verlegt.

Links des u-fòrmig angelegten Gutshofes war das Verwaltungsgebäude mit einer komfortablen Wohnung für den Verwalter ausgestattet, Dieses Amt hatte zum Beispiel 1848 der ungeliebte Rentamtmann Weiß inne.

Rechts hinter dem Schlösschen stand das Gesindehaus der Bediensteten, der Hausangeste!lten und des Dieners.

Bei der Badischen Revolution von 1848 haben 20 Sulzfelder Freischärler mit dem Lammwirt Karl Haas als Anführer ihrem Groll gegen die Grundherrschaft Ausdruck verliehen. Die erste ihrer vielen Gewaltaktionen begann im Neuhof.

Nachdem die Revolution niedergeschlagen worden war, wurden in dem repräsentativen Neuhof-Schlösschen wichtige Verhandlungen zwischen der Sulzfelder Gemeinde, der Grundherrschaft und den großherzoglichen Militärs abgehalten.

Der Besitzer des Neuhofes, Ferdinand Göler von Ravensburg, war in direkter Linie der Urgroßvater von Margarethe Göler von Ravensburg. Deshalb erbte sie den Neuhof.

Sie verkaufte den Gutshof mit Schlösschen und 70 Hektar Land 1968 an die Südzucker AG für 1,6 Millionen DM. Mit dem Geld kaufte sie unter anderem das Einfamilienhaus, das zehn Jahre zuvor von Josef Straub in der Hasenstraße 28 gebaut worden war. Heute gehört dieses Haus dem Schreinermeister Dieter Finck.

Im Jahre 1993, zwei Jahre vor ihrem Tod, ließ Margarethe Göler das monumentale Grabdenkmal ihrer Eltern und deren Nachkommen von der Familie Gruft in Karlsruhe nach Sulzfeld auf den Familienfriedhof der Göler neben der evangelischen Kirche versetzen. Dieses Denkmal ist aus rotem Sandstein. Es ist 450 cm breit, 214 cm hoch und größer als alle anderen Denkmäler.

Das Neuhof-Schlösschen wurde von der Südzucker AG privat vermietet. Als der letzte Mieter 1985 ausgezogen war, verlegte die Südzucker AG Ihre Verwaltung in das repräsentative Gebäude. Auch wurden die gesamten Gutshofgebäude zwischen 1970 und 1995 von der Südzucker AG abgerissen und durch moderne, landwirtschaftliche Gebäude ersetzt.



1792 kaufte Georg Ernst aus Leonbronn als erster dieses Grundstück von den Gölern, baute sein Haus darauf und war im Gutshof als Arbeiter tätig.

1830 war dann sein Sohn, Jakob Ernst, schon eigenständiger Bauer dort. Er heiratete am 28.01.1832 Katharina Klebsattel. Der Sohn der beiden, Heinrich, wurde nur ein Jahr alt. Deshalb ging nach dem frühen Tod Jakobs und Katharinas dieser Grundbesitz mit Haus und Scheune an den Bruder von Kathadna Klebsattel, Georg Jakob Kiebsattel, über.

Bis 1835 war dann Georg Jakob Klebsattel Landwirt und Besitzer des Anwesens.

Bis 1870 war Georg Friedrich Klebsattel Landwirt und Besitzer.

Jakob Adam Klingenfuß war Steinhauer und kaufte 1895 dieses Anwesen von Georg Friedrich Klebsattel.

Bis 1913 war Jakob Adam Klingenfuß Besitzer. Sein Sohn, August Klingenfuß, baute die große Scheune. Er war bis 1981 Landwirt auf der Neuhof-Siedlung. Uwe Waidelich aus Jöhlingen kaufte 1993 das Anwesen.

Bis 2001 war Uwe Waidelich Besitzer.

Seitdem ist die Landstraße 3 im Besitz der heutigen Bewohner.

Vom mittleren Grundstück Nr. 13087, Landstraße Nr. 5, sind folgende Besitzer bekannt.

Bis 1845 war Christoff Klingenfuß Landwirt und Besitzer.

Bis 1882 war Andreas Klingenfuß Landwirt und Besitzer. Christoff und Andreas Klingenfuß waren zu Jakob und Adam Klingenfuß vom Nachbarhaus Cousin und Großcousin.

Bis 1911 war Christoph Kübler Oberknecht im Neuhof und Besitzer der Landstraße 3.

Bis 1984 war Franz Josef Kuhmann Landwirt, Besitzer der Landstraße 5 und Schlepperfahrer im Gutshof der Göler. Er heiratete die Tochter von Christoph Kübler.

Bis 1986 waren Bärbel, Karl, Werner und Ludwig Kuhmann Besitzer dieses Anwesens. Ab 1984 wohnte keiner dieser Geschwister mehr in dem Haus.

1986 verkauften die Geschwister Kuhmann die Landstraße 5 an den heutigen Bewohner.


Vom rechten Haus mit den Grundstücks-Nummern 13089 - 13090 - 13091, Landstraße Nr. 7, sind folgende Besitzer bekannt:

Bis 1867 war Andreas Dietrich Ziegler Landwirt und Besitzer der Grundstücke und des Sied lu ngshäuschens.

Bis 1921 war Kad Ziegler Aufseher im Neuhof und Besitzer des Siedlungshäuschens mit den Grundstücken.

Bis 1944 war Karl Frieddch Landwirt, Straßenwart und Besitzer von obigem Anwesen.

Bis 1967 waren Heinrich Ziegler und seine Schwester Karoline Frank, geb. Ziegler, je zur Hälfte Eigentümer des Anwesens.

Bis 2005 war Müllermeister Anton Göttel Besitzer dieser Grundstücke. Er erweiterte das Haus und die Stallungen in östlicher Richtung.

Seitdem ist die Landstraße 7 im Besitz der heutigen Bewohner.

Herbert Klingenfuß hat am Ende des Krieges im Neuhof, Landstraße 3, als 15jähriger Folgendes erlebt:

Im März 1945 hat die französische Armee von Elsenz her den Neuhof mit Artillerie beschossen, weil hier die deutsche Wehrmacht eine Verteidigungsstellung hatte.

Nach drei Tagen haben die deutschen Soldaten den Neuhof aufgegeben und haben sich Richtung Suizfeld zurückgezogen.

Bei mehreren Bombenangriffen sind alle Neuhof-Bewohner in den gewölbten Keller des Schlösschens geflüchtet.

Bevor sich die Deutschen zurückzogen, haben sie noch alle großen Bäume gefällt und auf die Landstraße geworfen, womit sie die Franzosen aufhalten wollten. Dies ist bekanntermaßen nicht gelungen.

Auch wurden die Bewohner des Neuhofs vom deutschen Kommandanten gewarnt, dass er sie im Falle einer kampflosen Ùbergabe an die Franzosen durch Hissen der weißen Fahne beim Zurückkommen alle erschießen werde.

Es wurde keine weiße Fahne gehisst und auch niemand erschossen, denn der Kommandant musste schleunigst Sulzfeld verlassen.

Herbert Klingenfuß hat 1956 den Neuhof verlassen und ist nach Sulzfeld gezogen, heiratete und baute sich eine Existenz auf.

 


 

Margarethe Förster, geb. Pfefferle, hat mir folgendes Ereignis vom Neuhof geschildert:

Beim Einrnarsch der Franzosen in den Neuhof hatten sich zwei junge deutsche Soldaten nicht wie alle anderen nach Sulzfeld zurückgezogen. Beide wurden am 3. April 1945 von den Französischen Soldaten erschossen. Einer der beiden konnte durch seine Dienstmarke erkannt und in seinen Heimatort überführt werden.

Der andere lag erschossen auf der Außentreppe des linken Verwaltungsgebäudes. Seine Herkunft konnte nicht ermittelt werden. Er wurde im Neuhof-Wäldchen begraben. Die Grabstelle wurde mit einem Holzkreuz gekennzeichnet, worauf steht: ~Ein unbekannter Soldat". Jeden Sonntag haben Sulzfelder Bürger frische Blumen auf das Grab gestellt.

Als Margarethe Pfefferle dreizehn Jahre alt war, hat 1950 Pfarrer Schwarz eine Umbettung des Leichnams organisiert. Diese feierliche Handlung wurde von der Feuerwehrkapelle und dem Gesangverein umrahmt. Pfarrer Schwarz hielt eine so beeindruckende Rede, dass den meisten Anwesenden Tränen in den Augen standen.

Der Steinmetzmeister Otto Stolzenthaler von der Neuhöfer Straße stiftete einen Grabstein, auf welchem er Folgendes eingemeißelt hat:

"Hier ruht ein unbekannter deutscher Soldat- 3. April 1945".

Bei der Besichtigung der Grabstätte hat sich Margarethe Förster über den aufgefrischten Grabstein und über das gepflegte Grab gefreut. Auch ich war überrascht, ein solches Grab im alten Friedhof vorzufinden, wofür ich den Verantwortlichen meinen Dank aussprechen möchte.

Weil zwischen 1984 und 9186 das mittlere Neuhöfer Siedlungshaus Kuhrnann leer stand und die beiden anderen Häuser nur noch von über 80jähdgen Eigentümern bewohnt waren, wollte die Gemeinde Sulzfeld nach dem Tod der Bewohner alle drei Häuser abreißen um keine neuen Zu- und Abwasserleitungen verlegen zu müssen.

Bis 1984 mussten die Bewohner der Neuhof-Siedlung ihr Wasser wie vor 100 Jahren mit einem Schwengelbrunnen aus 28 Metern Tiefe herauspumpen.

Dieser Schwengelbrunnen steht heute noch, in nicht mehr funktionierendem Zustand auf dem Grundstück. Kurioserweise gehört deshalb ein Quadratmeter Land der Landstraße Nr. 5 um den Schwengelbrunnen herum der Gemeinde Suizfeld mit eigener Grundstücks-Nummer 13088.


Der Neuhof ist eine vergessene Siedlung und außerdem ein besonderes Politikum:

Verwaltungsmäßig und politisch gehört der Neuhof zu Sulzfeld, denn er liegt auf Sulzfelder Gemarkung und gehört demnach zum Kreis Karlsruhe. Deshalb lautet die offizielle amtliche Adresse: Neuhof- 75056 Sulzfeld.

Postalisch wird er von Rohrbach aus bearbeitet.

Die Postadresse lautet: 75031 Neuhof, Landstraße. Telefonisch sind die Bewohner des Neuhofs jedoch nur mit der Eppinger Vorwahl: 0 72 62 / zu erreichen und stehen demnach auch nicht unter Sulzfeld im Telefonbuch.

Obwohl der Neuhof an der viel befahrenen Bundesstrage 293 liegt, muss sich ein Bewohner ohne Auto, Motorrad oder Fahrrad entweder zu Fuß oder per Anhalter nach Eppingen oder nach Sulzfeld durchschlagen.

Auf dem Sulzfelder Gemeindeplan ist der Neuhof nicht eingezeichnet und auch nicht unter der Landstraße aufgeführt.

Manfred Himmel

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