Sandsteine, Steinbrüche und Steinhauer

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Kategorie: HISTORIC
Erstellt am Dienstag, 24. Januar 2012 22:46
Zuletzt aktualisiert am Freitag, 27. April 2012 23:48
Geschrieben von J. Riedinger
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Sulzfelder Sandsteine, Steinbrüche und Steinhauer


Manfred Himmel recherchierte von 2007 bis 2009 
Widmung an die Steinhauer

Dem Andenken der krumm und bucklig geschufteten Sulzfelder Steinhauer, welche ihre Arbeit mit Staublungen, Schwielen und zerquetschten Gliedern vollbrachten. Zur Erinnerung an diese Steinhauer, denen kein Denkmal gesetzt wurde, die entbehrungsreich in Selbstaufopferung und Gottesfurcht ein kärgliches Leben fristeten, die fast vergessen auf der Müllhalde der Vergangenheit übersehen werden.

Deshalb sollten wir ihre hinterlassenen Bauwerke mit großem Respekt bewundern.

Manfred Himmel, Sulzfeld 2009

 


Einführung

Vor vier Generationen, um das Jahr 1900, waren in Sulzfeld etwa 400 Personen
im Sandsteingewerbe tätig. In jedem zweiten Haushalt war das die wichtigste Einnahmequelle.

Deshalb möchte ich die sich verblassende Erinnerung daran, nicht autorisiert, festhalten.

Wir spannen einen Spagat von der geologischen Entstehungsgeschichte des gelben
Sulzfelder Schilfsandsteins, über dessen Abbau und Bedeutung bis zu den Sulzfelder
Steinhauern, unserer Vorväter.

Den folgenden, von mir recherchierten Fakten, ging meine allgemeine Zuneigung zu
unserer Heimatgeschichte voraus.

Festgestellt werden muss, dass wir in Sulzfeld von vielen Sandsteinbauten umgeben sind.
Die wenigstens kümmern sich aber um die schnell verblassende Erinnerung. Auch die
Anzahl derer, die das Wissen darüber, welches sie von ihren Vätern erbten, werden immer weniger.

Schon die Frage, wo diese Sandsteine hergekommen sind, bringt heute schon manchen
Bürger dazu, sich verlegen hinter dem Ohr zu kratzen.

Deshalb schicke ich zuerst die verschiedenen Gebietsbezeichnungen, die Namen der
Steinbrüche und deren Lage voraus.

 


 

Steinbruchgebiete

Der Hügelzug von Kürnbach bis zum Ottilienberg, in welchem unsere Steinbrüche liegen,
wird in den offiziellen topografischen Karten als „Hartwald" bezeichnet. Das Wort und
die Silbe „hart" hat ursprünglich nichts mit hartem Stein zu tun. Dessen Bedeutung liegt
in seiner „keltisch-slawischen" Herkunft, in welcher es um die ausgedehnte Ansammlung
von Bäumen ging. Schon Cäsar hat tief beeindruckt über den germanischen Urwald und
seine vielen Baumriesen, die ihm „so alt wie die Welt erschienen", gesprochen.

In der aktiven Sandsteingewerbezeit wurden die Gebiete nahe bei den Steinbrüchen
„Kruschhalde" genannt. Diese Bezeichnung wurde aus der vor-römischen Zeit, von den
damals hier keltisch-germanisch sprechenden Menschen abgeleitet. Die erste Silbe „krusch"
wird im angelsächsischen „crush" (sprich: krasch) genannt und bedeutet Klumpen, Brocken,
Ansammlung von gebrochenen oder zerschlagenen Steinen. Des Weiteren bezieht sich das
Wort „krusch" oder „crush" auf das Knirschen, das Geräusch des Brechens, Zersplittern und
Zerstoßens von Steinen. Die zweite Silbe „Halde" bedeutet nach wie vor ein aufgeschütteter
Hügel oder Abraumhaufen. Also wurden schon vor 2000 Jahren an den Sulzfelder
Steinbruchgebieten viele Haufen und Hügel von Schutt und Geröll angelegt.
Bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts wurde das Gebiet um die Sulzfelder Steinbrüche
deshalb „kruschhalder Gebirgszug" genannt.

Heute bezeichnen wir diesen Bezirk als ,Ochsenburger Wald",
weil er näher bei Ochsenburg als bei Sulzfeld liegt.

 


 

Namen und Lagen der Steinbrüche


Dieser ist der älteste und größte Sulzfelder Steinbruch. Da an verschiedenen Stellen
dieses großen Areals die Steine aus tiefen Lagen gebrochen werden mussten, nannten
die Steinhauer dieses Gebiet auch: „Steingrubenwald". Der JägersitzSteinbruch liegt
oberhalb vom Fröschberg, südlich vom Lichtenberg, direkt an der Mühlbacher Gemarkungsgrenze.
Oberhalb der senkrecht abfallenden Felswand verläuft der Sulzfelder Panoramaweg,
teilweise nur zwei Meter vom abgesicherten Abgrund entfernt vorbei. Diese östliche
Felswand hat eine stattliche Länge von etwa 800 m, die dreieckige Ausbruchsgrube
besitzt eine Schenkellänge von 300 m. Der flachere südliche Steinbruchabschluss wird
mit 200 m angegeben. Somit belegt der Jägersitz-Steinbruch eine Fläche von 2,5 ha.
Der Name ,Jägersitz" ist erst im 19. Jahrhundert entstanden. Er ist auf das an der steilen
Ostwand herausragende ~Felspodest" zurückzuführen. Ein Jäger, der seinen Ansitz
auf dieses Felspodest verlegt, hat das ganze Steinbruchgelände und die sich darin
aufhaltenden Waldtiere im Blickfeld. Wegen dieser Tatsache bekam der Steinbruch
den Namen „Jägersitz".

Mit dem PKW kann der Jägersitz-Steinbruch nicht ganz angefahren werden.
Der bequemste Weg führt vom Parkplatz „Birkensee" am Richtweg oberhalb des
Mühlbacher Steinbruchs entlang. Andere Möglichkeiten ergeben .sich vom großen
Sulzfelder Waldparkplatz, vom Ravensburgparkplatz, dem Parkplatz an der
Effelderichhütte und dem Parkplatz vor dem Waldgasthof Koser aus. Die allernächste
Parkmöglichkeit, welche aber nur für Anlieger zulässig ist, befindet sich am Mühlbacher
Wasserhochbehälter.

 


 

Der Schaibern-Steinbruch

Dieser ist der zweitgrößte Sulzfelder Steinbruch. Er liegt an der Straße nach
Ochsenburg, rechter Hand vor dem Waldparkplatz beim Trimm-Dich-Pfad am
„geraden Weg". Dessen Felswänden sind niedriger als die des Jägersitzes
und die Abbaufiäche erstreckt sich rechtwinkelig abgeknickt etwa 150 m in
Richtung Westen.

Wer diesen Steinbruch besichtigen will, sollte vom Waldparkplatz aus den
Waldweg rechts neben der Infotafel, etwa 100 m Richtung Sulzfeld gehen.
Im Steinbruchgelände sind noch die Bahnen, die Standplätze der Kräne und
die Richtung Rieth führenden Abfuhrwege gut vorstellbar,

Die Bezeichnung „Schaibern" wurde vom Wald abgeleitet, aus dem man anno
dazumal, wie Theodor Pfefferle erwähnt, die Kienspanfackeln aus den
geschnittenen Ästen der Kiefern holte. Zur Herstellung der Fackeln wurde das
obere Ende des Astes keilförmig aufgespalten. Anschließend wurde in deren
Ritzen das leicht entzündbare, ranzig riechende Tran-Fischöl eingeträufelt.

Eine solche Kienfackel brannte stundenlang und war für lange Zeit die
einzige Beleuchtung. Eine Weiterentwicklung war die Tranfunzel,
welche schon nach dem Docht-Öl-Prinzip funktionierte.

Der Jägerfritz-Steinbruch

Dieser liegt am Kohlbachwald. Linker Hand oberhalb der Kohlbachquelle, dort,
wo sich ab und zu das wieder instandgesetzte Wasserrädchen dreht. Innerhalb
dieses Steinbruchgeländes wird alljährlich am Himmelfahrtstag ein ökumenischer
Waldgottesdienst vor der urigen Wanderhütte abgehalten. Dieser „JägerfritzSteinbruch"
ist von dem großen Waldparkplatz am Trimm-Dich-Pfad aus bequem zu erreichen.
Man folgt dem Weg 200 m in Richtung Osten.

1934 wurden daraus die Steine für das Sulzfelder Kriegerdenkmal zum Gedenken
an den ersten Weltkrieg (1914 - 1918) entnommen. 1954 hatte der Steinhauermeister
Alfred Kern, als letzter Steinbruchunternehmer, den gelben Sandstein daraus gebrochen.
Die Namensbezeichnung ,Jägefiritz" dürfte sich vermutlich auf den Offizier J. Fritz Ferdinand
Göler von Ravensburg beziehen. In seinem Ruhestand ab 1850 ging der Freiherr Fritz F. von
Göler vorrangig im Kohlbachwald auf die Jagd und Pirsch. Immer, wenn die Steinbrecher
vom Steinbruch bei Dämmerung nach Hause gingen, kam ihnen fast täglich Fritz Göler mit
seinem Jagdhund entgegen. Bei diesen Begegnungen hieß es immer wieder, dass der Fritz
im Steinbruch auf die Jagd geht.

Mit der Zeit haben die müden und wortkargen Steinbrecher den Spieß herumgedreht und
murmelten einander zu, der Jäger Fritz gehe zum Steinbruch.

So erhielt der „Jägerfritz-Steinbruch" seinen Namen.

Der Rieth-Steinbruch

Dieser ist der kleinste Sulzfelder Steinbruch. Er befindet sich versteckt im Riethwald
beim Enkele auf dem Buchenbuckel. Dieser ist bequem vom Riethparkplatz aus zu besuchen,
indem wir den zweiten, nach links abbiegenden Waldweg benutzen. Er kann nach 200 m
fast übersehen werden.

Die Steinbruchunternehmen Teutsch und Schaadt aus der Mühlbacher Straße haben aus
diesem Rieth-Steinbruch bis 1900 Mauer- und Sturzsteine für den Hausbau gebrochen.
Diese wurden an Ort und Stelle fertig bearbeitet und mit Pferdewagen abtransportiert.
Das Wort und die Bezeichnung: „Rieth" entstammen dem Westgermanischen Vokabular
und bedeuten „Röhrich", also rohrartig. Dementsprechend wuchsen oder wurden in
diesem Gebiet rohrartige Pflanzen, zum Beispiel Binsen, angebaut. Diese Rohrstiele
fanden an den Grundstücks-, Hühner-, Gänse- und Entenabgrenzungen ihre Verwendung.

 


 

Ein besonders alter Sandstein

Bevor wir zum steinernen Tagebuch der Geologie und deren kosmischen Zeiten in die Entwicklung des
Sulzfe[der Sandsteins gelangen, will ich unser Augenmerk auf einen besonders alten Sulzfelder Sandstein richten.

Wir wollen ihm den lateinischen Namen ,Lapisarius geben. Seine Frau nennen wir „ Harena" und den Sohn „Flavius".

Wenn man nun diese lateinischen Namen ins Deutsche übersetzt und etwas ergänzt, kommt dabei folgendes heraus:

„ Lapisarius" ist abgleitet vom lateinischen „lapis" und heißt auf Deutsch: ,Stein"

„ Harena" ist abgeleitet vom lateinischen „arena" und heißt auf Deutsch: ,Sand"

„ flavius" ist abgeleitet vom lateinischen ,flavus" und heißt auf Deutsch: ,gelb" In die richtige Reihenfolge gesetzt heißt es:

Der gelbe Sandstein

„Lapisarius" ist am Friedhofsbuckel außerhalb der alten Friedhofsmauer, gegenüber des
Anwesens der Familie Kurt Förster, als fünfter Stein vom linken Maueranfang und in der
elften Reihe von unten eingemauert. Er richtet sich mit seinem eingemeißelten Bibelspruch,
Römer 12, Vers 12 ,seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet" an
alle vorrübergehenden Personen. Abgelenkt durch Trauergedanken wird der Stein meistens
übersehen. Da auf unserer großen evangelischen Kirchenglocke auch dieser Bibelspruch
verewigt ist, trägt sie mit jedem Glockenschlag dessen Inhalt mehrmals zu uns herüber.

Als sprechender Stein und Zeitzeuge werden uns „Lapisarius" und sein Sohn „Flavius" aus
weit zurückliegenden Epochen von ihren aufregenden Erlebnissen bei der Sandsteinentwicklung
und ihrer eigenen spannenden Entstehung berichten.


Steinbruchentstehung

Um die Entstehung der Sulzfelder Steinbrüche erklären zu können, müssen wir in die
erdgeschichtliche Vergangenheitsevolution abschweifen. Vor 300 Millionen Jahren lag
der Kraichgau mitten im germanischen Meer, ganz Europa war damals von diesem Meer
bedeckt. Dass unser Hartwaldgebirge zu dieser Zeit eine Muldenvertiefung war, ist fast
nicht vorstellbar.

In den folgenden 20 Millionen Jahren wurden durch die Bewegung der Kontinentalplatten,
verbunden mit großen Klimaschwankungen, gewaltige Massen an Schlamm und Sand bei
uns hier angeschwemmt. Dies führte zu einer Reliefumkehr, wodurch aus der Mulde in
30 Millionen Jahren unser Hartwaldgebirgszug herausgehoben wurde. Der in Nord-westliche
Richtung abfallende Abhang des Hartwaldgebirges lag vor 200 Millionen Jahren am Ufer
des germanischen Meeres, vor 150 Millionen Jahren im jetzt kleineren Kraichgaumeer.
Hier gab es gro0Be Mengen an verschiedenen Pflanzen, wie bis zu zehn Meter hohe
Schachtelhalme, großfiächige Farne und riesige Nadelbäume. Diese Pflanzen wurden
nach dem Absterben zusammengeschwemmt und mit Sand abgedeckt. Weil diese
versteinerten Pflanzenreste bei flüchtiger Betrachtung unserer heutigen Schilfpfianze
ähnlich sehen, ist es im 18. Jahrhundert zu der irrtümlichen Namensgebung als
Schilfsandstein gekommen. Eine Schilfpflanze wie wir sie heute kennen, hat es in
der Triaszeit vor 150 Millionen Jahren überhaupt noch nicht gegeben.


Geologische Sandsteinentwicklung

Jetzt schon geben wir unserem geduldigen „Lapisarius" das Wort. Er murmelt uns versteinert zu,
dass sich in seinem Steinhaus eine versteckte Kammer befindet. Dieses Geheimnis zu lüften obliegt
allerdings seinem Sohn „Flavius", welcher zu gegebener Zeit in einem eigenen Kapitel darüber berichten wird.

Als kleines Sandkorn von 0,1 mm Durchmesser befindet sich „Flavius" in einer Dachkammer oben rechts
in meinem Steinhaus. Er gibt sich nun die Ehre, Euch Erdlingen seine Geburt und unsere Herkunft zu erklären.

Geboren bin ich vor etwa 80 Millionen Jahren im damaligen skandinavischen Massivgebirge, oberhalb von
Schweden, fast beim heutigen Spitzbergen. Meine Eltern und ich wurden durch Abspaltungen, hervorgerufen
durch tektonische Kräfte, aus dem Fels gerissen und hunderte Kilometer durch die Luft geschleudert. Ich war
noch dick und fett, fast so groß wie eine Nuss. Magnetische Kräfte haben uns jetzt zu einem Block zusammengefügt.
Als ganzer Felsbrocken mit vielen unförmigen Ecken und Kanten vom 10x10x10 cm Größe sind wir fast 30 Millionen
kalte und heiße Jahre durch das germanische Becken Richtung Süden gerollt, gerutscht und geschleudert. Das sind
400 Millionen mal Vollmond. Dabei haben wir ganz arg abgenommen. Als vor 509 Millionen Jahren das Meerwasser
zum letzten Mal in den Kraichgau vordrang, bin ich zusammen mit meinem außerirdischen Freund „Candidus" von
nur 0,08 mm Durchmesser hier angeschwemmt. Weil ,Candidus" als Quarzkorn wesentlich leichter als ich war,
wurde er in den folgenden 10.000 Jahren mit zig Millionen gleichartiger Quarzkörner Qber den Heuchelberg zum
Stromberg nach Pfaffenhofen hinüber geschwemmt und gründete dort den weißen Sandstein von Pfaffenhofen.

Ich hingegen wurde zusammen mit meinen Eltern hier am Hartwaldabhang mit Milliarden gleichartiger gelber
Sandkörner in die abgestorbenen Pflanzenreste hinein verschlungen und zusammengepresst. Nach 100.000
Jahren waren wir schon ein. beachtlich großer Klumpen, bis wir nach etwa zwei Millionen Jahren eine kompakte
Schicht am heutigen Jägersitz-Steinbruch bildeten. Oberhalb unserer Köpfe setzte sich zuerst bunter Mergel,
danach eine dünne Schicht großkörniger Stubensandstein ab. Durch diese Druckbelastung wurden wir immer
stärker aneinander gedrückt. Damit nicht genug, ganz oben legte sich noch eine zwei bis drei Meter dicke Schicht
kalkarmer Tonlehm an, zum Schluss fegte der Wind auch noch den aus Trockenwüsten entstammenden Löß obendrauf.
In den folgenden zehn Millionen Jahren sind wir mit karbonatischem Bindemittel zusammen mit den Pflanzenresten und
einem gewaltigen Druckprozess chemisch zu dem heutigen Schilfsandsteingefüge geworden.

Die ständigen Stürme und Winde, welche fast ausschließlich Richtung Süden wehten, trugen dazu bei, dass sich in
den Schichten der Nordseite ein besserer Stein entwickelte. Die abstrahlende Windtätigkeit führte dazu, dass sich in
den versteinernden Nordseiten die schwächeren, nicht sehr verpressten Schichten abgetragen und durch die
Meereswellen verfestigt hatten. Im Windschatten der Südseiten hingegen lagerte sich der Flugsand neu ab, konnte
sich aber nicht aufs Neue verfestigen. Beim letzten Zurückweichen des Kraichgauer Meerbusens vor 30 Millionen
Jahren entwickelte sich ein Steppenklima mit urzeitlichen Lebewesen und dürftiger Flora.

In dieses karge Leben brach vor 15 Millionen Jahren ein Inferno unvorstellbaren Ausmaßes herein. Mit einer errechneten
Geschwindigkeit von 30 Km/Sekunde schlug ein gigantischer Komet von 1,5 Km Durchmesser beim heutigen Nördlingen
einen Krater von 22 Km Durchmesser in die Erdoberfläche. Beim Einschlag verdampften 3,5 Km3 Erde und Stein, weitere
130 Km3 Steinbrocken wurden bis zu uns geschleudert. Als dieser Komet zuschlug, wurde „Flavius" in einem enormen
Gerüttel beinahe von seiner Sippe getrennt. Doch das Schicksal war ihrem wohlgeformtem Steinblock gnädig und die Familie
„Lapisarius" konnte wie durch ein Wunder zusammengehalten werden In den Epochen der kommenden Jahrmillionen gab
es ideale Voraussetzungen für neues tierisches und pflanzliches Leben. Von welchen heute noch Einige bei uns existieren.
Durch die nun folgenden Wechselbäder an heißen und kalten Zeiten entwickelte sich der Stein der Familie „ Lapisarius" zu
einem so genannten harten Kosakenstein.

Vor etwa einer Million Jahre kam die Erde zwar nicht zur Ruhe, aber unser heimatiches Gebiet fand mit dem Ende der
letzten Eiszeit seine gegenwärtige Form. Die Meeresbucht des Kraichgaus entleerte sich in Sturzbächen zum Rheingraben
und hinterließ Bachläufe wie die Kohlbach, sumpfige Talauen und fruchtbares Ackerland.
Etwa vor 2500 Jahren hörte ,Flavius" das Gelatschte eines einzelnen Jägers und Sammlers, auch stellte sich das
Getrampel von Pferden und Ochsen ein. Es kam der Tag, der kommen musste. Gefährlich nahe bei Flavius gruben
einige Sklaven den Lehmboden auf. Vielleicht galt ihre Suche dem wertvollen Salz, das zu dieser Keltenzeit in Sulzfeld
entdeckt wurde. Deshalb durchstießen sie auch die Mergelschicht und landeten neben unseren Köpfen.
Einige Meter weiter wurden alsbald die erste Steine aus dem Jägersitz-Steinbruch herausgebrochen.
Aus diesen Sandsteinblöcken meißelten sie viele ihrer verschiedenen Götterstatuen und stellten diese mit
Sandsteinstelen umgebenen Versammlungsplätze auf.

Die oberen dünneren Gesteinsschichten verwendeten sie als Abdeckplatten für ihre damals üblichen Steingräber.

 


 

Römische Steinkultur im Kraichgau

Etwa 100 v. Chr. stießen germanische Stämme, vorwiegend die Keltert, vom Norden kommend in den
Kraichgau vor. Diese führten nun eine 200-jährige Auseinandersetzung mit den Römern, welche nach
der Eroberung und Unterweffung Galliens in unser germanisch besiedeltes Gebiet vordrangen. Sie holten
sich aber immer wieder blutige Nasen. Unser Gebiet, das schließlich um 100 n.chr, zum römischen
Dekumatenland gehörte, fiel somit in die Siedlungspolitik des römischen Westreiches. Überall nahe an
Bachläufen wurden jetzt Bauernhöfe, so genannte Villa Rusticas, angelegt, welche hauptsächlich die
Versorgung der römischen Legionen sichern sollten. Es gab im Kraichgau ausgedehnte Ansiedlungen
und Kastelle, zum Beispiel in Lauffen, Bad Wimpfen, Güglingen, Pforzheim, Durlach und vor allem in Stetffeld.
Wie sich feststellen ließ, haben die Römer auch ganz nah bei uns zwei Villa Rusticas erbaut. Eine im Gewann
Längenfe[d nahe Mühlbach und eine andere am Hesselsee an der Grenze zu Zaisenhausen. Für den Bau dieser
Villa Rustica entnahmen sie Sandsteine im großen Stil aus den Sulzfelder Steinbrüchen. Den enormen Abraum
mitsamt den anfallenden kleineren Bruchstücken verwendeten sie zur Befestigung des ausgedehnten Kraichgauer
Straßennetzes. Innerhalb des römischen Grabungsfeldes von Stettfeld wurden u. a. auch sechs quadratische
Standsteinkisten von 70x70x60 cm Größe entdeckt, die allerdings nicht als Blumenträge dienten, sondern
wahrscheinlich als Kühlschränke verwendet wurden. Sie wurden mit 10 cm dicken Verschlussplatten
gefunden, worin eine Weinamphore lag.

Diese Kühlschrankkisten weisen sowohl Farbe als auch Beschaffenheit auf, wie sie nur im Sulzfelder
Jägersitz-Steinbruch zu finden sind. Folglich dürfen wie davon ausgehen, dass diese Kisten hier
gebrochen wurden. Feststellbar an ihrer Bearbeitung ist, dass selbige von außen mit einem Spitzeisen
bearbeitet sind und die Innenseiten mit einem Hundezahnmeißel ausgearbeitet wurden. Abschließend
wurden die hohen Stellen mit einem Schlageisen abgeschlagen Ob diese~ Endbearbeitung schon in Sulzfeld
erfolgte oder um Transportschäden zu vermeiden, näher am Fundort, kann hier nicht beantwortet werden.
Wahrscheinlich nahmen diese Sulzfelder Sandsteine über die jetzt von Karl Dettling nachgewiesenen
Römerwege per Ochsengespann wie folgt ihren Verlauf:

Vom Steinbruch ausgehend über den Richt- und Plattenweg entlang des Binsbachweges beim heutigen
Mühlbach zum Hutberg. Von dort führte der Transport vorbei am römischen Meilenstein über die Eppinger
Landstraße zur Villa Rustica am Längenfeld. Auf Sulzfelder Gemarkung rollte der Transport entlang des
Pfahlweges geradewegs zum Ölberg, die Bundesstraße überquerend, auf den Lipplesberg zum Forlenweg.
Von da an über Bahnbrücken, Menzingen, Neuenbürg nach Zeutern und über den Kallenberg zur Stettfelder
Römersiedlung am Rosenberg. Im Sulzfelder Ortsbereich sind keine römischen Siedlungsspuren nachgewiesen.
Indes wurden im Gewann Raidlich, heute Weinberge in Richtung Zaisenhausen, welche gefunden. In der
näheren Umgebung wurden außer dem schon erwähnten Längenfeld und Hesselsee bei Eppingen, Flehingen,
Oberderdingen, Ochsenburg und Sternenfels weitere Mauerreste, Gebäudeteile und Kultstätten aus Sulzfelder
Sandstein nachgewiesen. Da der Sulzfelder Sandstein eine leichte Bearbeitung und lange Lebensdauer versprach,
wurden daraus von den Römern und deren Gefolge auch viele Götter- und Heiligenstatuen hergestellt.

 


 


Die Alemannenzeit ohne Sandsteine

Als die Römer um 330 n.Chr, der Übermacht der germanischen Stämme weichen mussten und nach Rom zurück strömten,
entstand ein lang andauerndes Machtvakuum, das die Völkerwanderung erst möglich machte. In diesen unruhigen Zeiten
kamen unsere Steinbrüche völlig zum Erliegen. Viele römische Villen gingen wie nachgewiesen im Flammen auf, andere
wurden mit zugemauerten Kellern gefunden, weil die römischen Besitzer auf bessere Zeiten hofften und darauf, dass
sie ihren Besitz wieder besiedeln konnten. Unser reichfrequentiertes Durchgangsgebiet lag jetzt 200 Jahre brach und
alle Beweise einer römischen Besiedlung zerfielen. Die Gebäude, die Sandsteindenkmäler, die Jupitergigantsäulen, die
Grabmale, die Weihesteine und die berühmten Badanlagen zerfielen, wurden von Bäumen und Unkraut überwuchert.

Ein Weltreich, das sich für 500 Jahre mit Terror und Diktatur halten konnte, war zunächst vergessen. Die nun folgenden
alemannischen Siedler schlugen Alles, was nach römisch aussah, kurz und klein. Sie rodeten das Ackerland ohne
Rücksicht auf vergangene Kulturgüter. Ihre Gebäude bauten sie wie gewohnt aus Holz und verachteten Alles, was aus
Stein war. Unter diesen Alemannen fand man mit Sicherheit keine Steinmetze und keine Maurer. Das Know-How und
die Infrastruktur der Römer mit der straffen Organisation der römischen Kirche zusammen mit der lateinischen Sprache
wurden total vergessen. Die Alemannen versuchten, eine eigene Schrift zu entwickeln. Da ihr Alphabet für eine
ordentliche Schreibweise nicht ausreichte, konnten keine richtigen Beschreibungen ihrer Tätigkeiten gefunden werden.

 


 

Vom Felsgestein zur Schießscharte

Als 600 n.Chr, die Alemannen von den Franken bis unterhalb der Murg aus dem Kraichgau vertrieben wurden,
kam die Zeit einer zögerlichen Erinnerung der Franken zu unserem Sandstein. Bei dieser fränkischen Einverleibung
begann um 800 n.Chr. der Ausbau und die Verwaltung unseres Gebiets durch den fränkischen Hof und den
nahestehenden Großbauern, so genannte Lehensherren. In diese Zeit fiel vermutlich auch der erste Bau für eine
Sulzfelder Tiefburg, die auf dem heutigen Gelände der Gutsverwaltung aufgebaut wurde. Diese Tiefburg brauchte
auch Schießscharten. Die benötigte Steinqualität konnte aus den herumliegenden Sandsteinfindlingen nicht hergestellt
werden. Diese wurden, nach römischer Art, aus den tieferen Lagen der Jägersitzfelswand herausgebrochen.
Einer dieser so genannten Kosakensteine sollte mitsamt der Familie Lapisarius seinen Schicksalsweg gehen.

Lassen wir diesen gravierenden Lebensabschnitt von Flavius selbst erzählen.

Schon seit einigen Tagen bemerkte ich, dass oberhalb von uns die verschiedenen Schichten abgetragen und
wegtransportiert wurden. Danach geschah wochenlang nichts und wir waren Wind und Wetter ungeschützt
ausgesetzt. Zuvor befanden wir uns immer wohl geborgen im Gestein. Eines Tages, in aller Herrgottsfrüh, trat
eine mürrische Gruppe näher und schlug uns von oben her Löcher mit einem speziellen Handbohrmeißel in unsere
harten Oberteile. Loch an Loch, als hätten sie nichts anderes zu tun. Dann wurde in den Löchern herumgestochert
und gleich danach passende Weidenstäbe hinein geschlagen. Von oben her wurden die Holzstäbe mit Wasser
benetzt, wobei auch Wasser an unserem Stein herunterlief.

Wie durch Zauberei lösten sich durch die aufgeschwollenen Holzstäbe stramme Quader aus dem ehemals festen Stein.
Jetzt wurde gehebelt und gestoßen, an Seilwinden gezogen. Es folgte ein Ruck, der durch Mark und Bein ging und
wir lagen der Länge nach auf dem Boden,

Aber wie sich schnell herausstellte, hatten wir es mit schlauen Burschen zu tun. Die wussten genau, wie man zur
Sache geht und schlugen in unserer Mitte ein weiteres Loch. In dieses wurde der so genannte Wolf mit seitlichen
Klemmeisen eingeschlagen. Der Wolf hatte oben einen Durchschlupf in dem ein Seilhaken eingehängt wurde.
Das erforderliche Seil wurde mit einem Flaschenzug am oberen

Ende eines Dreifußhebebocks, auch Geiß genannt, befestigt. Jetzt wurden wir mit Hauruck auf einen zweirädrigen
Handwagen mit einer langen Hebelarmdeichsel gelegt. Mit diesem Handwagen, der auch Eidechse genannt wurde,
konnte unser Block transportiert werden. Zunächst lag die Zwischenstation der einseitig geöffneten Steinhauerhütte
an, wo wir nochmals umgepackt wurden. Hier wurden wir abermals mit diesem Dreigestell, der Geiß, auf stabile,
hölzerne Arbeitsblöcke verfrachtet, um von den Steinstoßern nach allen Regeln der Kunst zerlegt zu werden.
Die eingeschlagenen, richtungsweisenden Stahlkeile taten das Ihrige, um zu begradigen und zu trennen. Was übrig
blieb, waren kleine Quader von etwa 30x30x60 cm Größe. Weg da! Weg da! Jetzt kommen die Steinhauer!
Es hämmern die Fäustel und klingen die Eisen, es schimpfen die Meister und scheppern die Meißel und Licht fällt
durch ein langes, konisches Loch.

Hört! Hört! Wir werden eine Schießscharte. Es wurde wieder Morgen und Abend unter der Fuchtel von Spitz-,
Schlag- und Scharriereisen. Außen wurden wir noch mit dem Steinhobel in eine feine Oberfläche gebracht.

 


 

Der geheimnisvolle Gedenkstein

Nachdem wir jetzt ein fertiger Schießschartenstein waren, wurden Wir mit lautem Geschrei, holpernd
und stolpernd zur halbfertigen Tiefburg gekarrt. Jetzt ging es hoch hinaus, uns waren schöne, erhabene
Plätze zugedacht. Nun war endlich etwas los. Gute 200 Jahre flogen mit Kampfgeschrei Speere und
Pfeile durch uns hindurch. Sehr oft hörten wir bei Sturm die Windharfen wie ein Orchester singen.
Gerade als es so schön war, ist unsere Tiefburgmauer im 11. Jahrhundert durch Unterspülung eingestürzt.
Mit anderem Abraum waren wie 450 Jahre lang in einer Stein- und Schutthalde abgeschrieben.
Um 1570 artete unser Dasein in Stress aus, denn wir wurden in die Mauer des Friedhofes eingefügt.
100 Jahre später bekamen wir die Ehre, dass aus unserer Außenfiäche der Bibelspruch:
,Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet" eingemeißelt wurde.
Jetzt waren wir ein Gedenkstein, hatten etwas zu sagen und konnten all den Vorrübergehenden
Trost geben. Wieder 400 Jahre später war der Erddruck hinter unserer Mauer einfach zu viel.
Ohne dass unsere vorausgehenden Klagen jemand hörte, stürzten wir 1950 wieder einmal ein.
Schon 1954 ging es mit uns wieder aufwärts, wir wurden in der elften Reihe und als fünfter Stein
von links eingemauert. Nun aber wurden wir richtig verwöhnt: Nicht nur, dass wir von unserem
hiesigen Maurerbetrieb Hagenbucher und seinem Sohn Fritz mit dem Gesellen Kurt Steinbach als
mahnender Gedenkstein im Sommer 1954 eingemauert wurden, sondern in unsere ehemalige
Schießscharte wurde nun auch noch eine Weinfiasche eingelegt. Die junge Nachbarin Margarethe
Pfefferle war bekannt für ihre schöne Schrift. Sie durfte ein Dokument als Flaschenpost verfassen
und zusammen mit dem Zeitgeist von 1954 in die Flasche einfügen.

 


 

Steintransporte zur Ravensburg

Als die Freiherren von Göler im 13. Jahrhundert ihre Ravensburg erbauen ließen, wurden die erforderlichen
Sandsteine aus dem Jägersitz-Steinbruch herausgebrochen und Qber folgende Wege zur Baustelle transportiert:

Gleich am nördlichen Ende des Jägersitz-Steinbruches beginnen drei nahezu überwachsene Hohlwege.
Sie sind allesamt in Richtung Ravensburg orientiert. Der linke Hohlweg vom Steinbruch aus betrachtet,
mündest an seinem Ende beim Salzmannberg oberhalb der zugewachsenen Fröschberghohl in den so
genannten Zollhüttenweg zur Burg ein. Er musste von den Sulzfelder Steintransporteuren immer dann
benutzt werden, wenn die Freiherren von Göler, wie sehr oft, mit den Mühlbachern Streit hatten.

Die beiden rechten Hohlwege verlaufen parallel, nur durch einen Damm in der Mitte getrennt auf Mühlbacher
Gemarkung und treffen kurz vor dem Mühlbacher Wasserhochbehälter wieder zusammen. Beim Waldgasthaus
Koser führt uns dieser Weg nach links in Richtung Ravensburg und verläuft nach 100 m wieder auf Sulzfelde
Gemarkung. Es ist überflüssig zu erwähnen, dass die parallel verlaufenden Hohlwege Einbahnstraßen darstellen.
Vom Steinbruch aus gesehen wurde der rechte Weg zur Auffahrt benutzt, der andere zur Abfahrt. Weil die
Freiherren von Göler zur Zeit des Ravensburgbaus in Mühlbach erheblichen Besitz hatten, mussten deren
Pächter oder Lehensnehmer den zufallenden Frondienst als Steintransporte zur Burg über die rechten Hohlwege
tätigen. Bei diesen unbeliebten Frondiensttransporten hatten die Mühlbacher mit den Sulzfelder steintransporteuren
fast täglich Streit. Es ging immer um die Benutzung der besseren Transportwege, wobei des Öfteren ganze
Steinladungen durch vorsätzliche Wegblockierungen stecken geblieben oder umgekippt sind.

 


 

Sandsteinplatten für die Bürger

Bis in das 16. Jahrhundert hinein erfolgten Steinentnahmen aus dem JägersitzSteinbruch nur für und im
Auftrag der Freiherren von Göler. Danach erst setzte das Nutznießertum für die Sulzfelder Bürger ein.
Zunächst wurden robuste Gehwegplatten vom Amalienhof durch das Südtor, die Hauptstraße entlang
bis zum Nordtor verlegt. Zum ersten Mal konnten die Sulzfelder auf einheimischen Sandsteinplatten
flanieren und mussten nicht mehr zwischen Schlamm und Pfützen herum hQpfen. Diese Gehwegplatten
wurden mit Argusaugen von Maurern, Taglöhnern und Frondienstlern verlegt. Die etwa 10 cm starken
Platten wurden aus den oberen Schichten des Jägersitz-Steinbruches herausgebrochen. Daraufhin
sind sie von Steinhauern in Hütten bei der Weilergasse in 60 x 100 cm große, robuste Gehwegplatten
bearbeitet worden, um abschließend auf einem vorbereiteten, wasserdurchlässigen Untergrund aus
Sandsteinsplitt ausgelegt zu werden. Sowohl für die Kellerböden auf der Burg als auch in den
Gölerschen Weinkellern in Sulzfeld wurden derartige robuste Sandsteinplatten schon im 13. Jahrhundert
in gleicher Art verlegt. Das breite Bürgertum konnte sich solch einen Luxus nicht leisten. In ihren
strohgedeckten Hütten liefen diese auf festgetretenem Lehmboden herum. Ab dem 17. Jahrhundert
konnten begüterte Großbauern und gut betuchte Handwerker Sandsteine aus dem Jägersitz-Steinbruch
nach untertänigsten Bitten und gnädiger Erlaubnis bei den Freiherren von Göler gegen Bezahlung
herausbrechen lassen. Die entsprechenden Tätigkeiten durften aber nur von ausgebildeten Maurern
und Steinhauern ausgeführt werden. Diese arbeiteten fast ausschließlich mit Sandstein. Sie schufen
gewölbte Keller und die aus Stein errichteten Erdgeschosse sowie Sockel für Werkstätten und Stallungen.

 


 

Grenzdispute am Jägersitz-Steinbruch

Das Steinebrechen im Jägersitz-Steinbruch musste 1906 eingestellt werden, da die Sulzfelder
Steinbrecher teilweise 2 m bis an die Mühlbacher Grenze herankamen. Die nun folgenden
Grenzüberschreitungsverhandlungen wurden aus Konkurrenzgründen abgelehnt. Dabei ist
auch die ironische Bemerkung gefallen, dass wir jetzt die Sulzfelder Bobel in ihre Schranken
verwiesen haben. 1932 wurden wieder neue Verhandlungen aufgenommen. Nun erhofften
sich die Sulzfelder 1 ha Gelände entlang des Jägersitz-Steinbruchs in östlicher Richtung.
Die Mühlbacher aber forderten im Gegenzug, dass die Ortsgrenze zwischen Mühlbach und
Sulzfeld auf die Ravensburg verlegt werden solle. Dieser unverschämten Forderung wollten
weder die Freiherren von Göler noch die Sulzfelder entsprechen. Der Mühlbacher Anspruch
hingegen basierte auf einem uralten, historischen Hintergrund:
80 Jahre vor der ersten Erwähnung Mühlbachs fand das Bestehen der Mühlbacher Steinbrüche
im Mühlbacher Wald eine erste urkundliche Erwähnung. In Germersheim urteilte das damals
zuständige Hofgericht im Jahr 1370 mit Willen des Pfalzgrafen Ruprecht I. mit Mühlbach und
den Freiherren von Göler als Besitzer des Steinbruchwaldes, welche auch die Steinbrüche
von Mühlbach haben wollten.
In diesem Urteil des Pfalzgrafen wurde die noch heute kompliziert verlaufende Grenze zwischen
Sulzfeld und Mühlbach festgelegt. Darauf wird ersichtlich, dass schon damals die streitsüchtigen
Freiherren von Göler des niederen Adels ihren Einflussbereich auf die Mühlbacher Sandsteine
ausdehnen wollten. Für ihre gerade erbaute Ravensburg brauchten sie ständig Nachschub an
sandsteinen, deshalb erkannten sie die Bedeutung der im Mühlbacher Steinbruch liegenden
Bausubstanz. Allerdings hatten sie nicht mit dem Urteil des Pfalzgrafen gerechnet (siehe
Quellenanhang). Anscheinend hatten die Mühlbacher den damaligen, gierigen Griff der
Freiherren von Göler nicht vergessen und zahlten nach über 550 Jahren diesen zurück.
Der unmögliche Grenzverlauf zur Ravensburg als Vorbedingung sollte nun vor einigen,
Jahren als Bumerang zurückkommen, 1995 wollten einige Mühlbacher Steinbruchunternehmen
im Sulzfelder Jägersitz-Steinbruch in Richtung Mühlbach wieder Sandsteine ausbrechen.
Sie haben erkannt, dass hier die Steinqualität sehr gut ist und der Abbau problemlos zu bewältigen wäre.
Dieses geniale Vorhaben erforderte aber die Sulzfelder Genehmigung, welche verweigert wurde.

 


 

Jagd wichtiger als Stein

Der Rieth-Steinbruch musste 1900 aufgegeben werden,

Die Freiherren von Göler ließen keine Erweiterung zu, denn
der umliegende Wald gehörte ihnen Nach Meinung alter
Steinhauermeister hätten bei einer Erweiterung in Richtung
Osten große und lagerfreie Blöcke gebrochen werden können.

Anders formuliert: Wie in Mühlbach könnte dieser Steinbruch und das
Gewerbe heute noch Profit erwirtschaften. Ob den Freiherren von Göler
aber ihre Jagd im Riethwald wichtiger war als die Existenz der Sulzfelder
Steinhauer, sei dahingestellt. Jedenfalls wurden keine neuen Pachtverträge
unterzeichnet. In diesem Zusammenhang muss gesagt werden, dass von
allen Sulzfelder Steinbrüchen die Ausbeute aus dem Rieth-Steinbruch am
schnellsten, billigsten und sichersten hätte abtransportiert werden können.

Die beiden Steinhauerbetriebe Karl Schadt und David Teutsch haben ihre
Wohnhäuser an der Mühlbacher Straße aus den schönsten Steinen des
Rieth Steinbruches erbaut,

Nach der existenzbedrohenden Pachtverweigerung der Freiherren von Göler waren
Schadt und Teutsch die beiden letzten Steinbruchbetreiber im Rieth-Steinbruch.
Anschließend mussten sie notgedrungen ihre Steingewinnung in den noch offenen
Schaibern.-Steinbruch verlegen, Allerdings waren zu dieser Zeit im Schaibern
Steinbruch schon zehn Betriebe angesiedelt. Dadurch blieben in den viel zu nahe
beieinander liegenden Brüchen Streitigkeiten nicht aus.

 


 

Steine für die evangelische Kirche

Der Grundstein für die neue evangelische Kirche wurde am 28. Juni 1885 gelegt.
Diese neue Kirche ist auf dem gleichen Platz errichtet worden, an dem auch die
Vorgängerkirche „Gertrudis" aus dem Jahre 1441 stand. Diese wurde für den
Neubau abgebrochen.

Die Gründungsurkunde, die in Gegenwart von Pfarrer Purpus und des Kirchengemeinderates
niedergelegt wurde, enthielt im Eingangstext die Worte:

Unter der Regierung seiner königlichen Hoheit, des Großherzogs Friedrich von Baden,
unseres gnädigsten Landesfürsten und seiner Majestät, des Deutschen Kaisers Wilhelm II,
legen wir am heutigen Tag diese Urkunde über den Bau unserer neuen Sulzfelder Kirche nieder."

Die Bausteine für die neue Kirche wurden im Jägersitz-Steinbruch gebrochen und mussten von
den frondienstpflichtigen Fuhrwerksbesitzern für 1,40 Mark pro Fuhre zur Baustelle transportiert
werden. Nach den Plänen des Architekten Ludwig Diemer aus Karlsruhe wurde die Kirche im
Rundbogenstil, einer Mischung aus neugotischen und klassizistischen Elementen erbaut.
Der Steinhauermeister Christian Klebsattel erhielt den Zuschlag für die Steinmetzarbeiten.
Quaderecksteine und fein behauene Abschlusssteine der Fassade bildeten kein Problem für
den versierten Steinhauer und seine Mitarbeiter. Sorge bereitete diesen die runde Säulenbasis,
welche auf einer quadratischen Grundplatte aufgesetzt werden musste. Dank der Qualität des
Sulzfelder Sandsteines konnte am 26. September 1886 die neue evangelische Kirche eingeweiht
werden Noch heute feiern wie diese Kirchweihe am dritten Sonntag im September, nicht aber vor dem 21.

 


 

Steine für den Bundesgerichtshof

Der Großherzog Friedrich II hat am 19. März 1890 nach langem Hin und Her den Bau des Palais für
seinen Sohn und die Prinzessin Hilda von Nassau in der Karlsruher Herrenstraße zugestimmt.
Noch im selben Jahr wurde bekannt, dass dieses erbgroßherzoglichen Palais aus gelben, Sulzfelder
Schilfsandstein erbaut werden sollte. Darüber war die Freude und der Stolz der Sulzfelder Steinhauer
nicht mehr zu überbieten.

Seit dem 01. Oktober 1950 beherbergt diese architektonische Perle den Bundesgerichtshof.

Am 13. September 2009, dem Tag des offenen Denkmals, war der Bundesgerichtshof unter Aufsicht
frei zugänglich. Mit der stolzgeschwellten Brust des Chronisten betrat ich das Gelände des Bundesgerichtshofes,
denn ich bewegte mich ja so zusagen in heimatlichen Gefilden. Zwischen Videoüberwachung und Sicherheitsbeamten
traf ich den Mitarbeiter des Bundesgerichtshofes, Herrn Karlheinz Piper. Als erstes hat er mir seine 75-seitige
Studienschrift mit dem Titel ~Palais im Park" vom großherzoglichen Palais zum Bundesgerichtshof überreicht.
Bei unserem Gespräch hat er mit 100%ig bestätigt, dass alle Sandsteine für dieses schlossartige Palais aus dem
Sulzfelder Jägersitz-Steinbruch stammen, Nun wurden im Sulzfelder Steinbruch mit großem Eifer die ausgebrochenen
Sandsteinblöcke, welche für das Palais bestimmt warten, von den Steinstoßern in die geforderten Größen gebracht
und zum Bahnhof transportiert. Bei der Güterhalle wurden von verschiedenen Steinhauerbetrieben die einfachen
Sockelgurte und Gesimssteine in Form gehauen. Dafür waren entlang der Bahnhofstraße größere und kleinere
Steinhauerhütten aufgebaut worden. Man konnte an der Hüttengröße erkennen, wie viele Steinhauer dieser oder
jener Betrieb beschäftigte. Mit zwei speziellen Auslegerkränen sind die in Holzkisten verpackten Steine auf die
bereitgestellten Güterwagen gehievt worden. Danach wurden sie mit dem laut schnaubenden~ Schienenzug
über die neu eröffnete Kraichgaubahn zum alten Karlsruher Bahnhof direkt an der Kriegsstraße befördert.
Die restliche Strecke zur Baustelle an der Herrenstraße war ein Katzensprung. Der Transport erfolgte über die
Straßenbahngleise teilweise mit von Pferden gezogenen Pritschenwagen. Nach der Einweihung des
erbgroßherzoglichen Palais wurde der alte Karlsruher Bahnhof stillgelegt und der neue, heutige Bahnhof eröffnet.


Der unermüdlich arbeitende Architekt und Baudirektor des Großherzogtums Baden, Josef Durm, hat diesen
prachtvollen Monumentalbau im neo Barockstil geplant und als unbequemer Bauleiter bis zu seiner Vollendung geführt.
Der Baukünstler Professor Adolf Heer hat die steinbildhauerischen Arbeiten außen am Palais entworfen.
Seiner Planung haben wir die Wappenschilder des Großherzogs, das Badische und das Karlsruher Fidelitaswappen
sowie die beiden Engel über dem Eingang zu verdanken. Der anerkannte Steinmetz und Meister seines Faches,
Fidel Binz, hatte die Ehre, all diese außerordentlichen Kreaiionen für die Nachwelt aus Sulzfelder Sandstein herzustellen.
Auf die Schönheit seiner Kunst angesprochen, antwortete-er: ~Ach, Sie meinen dies? Das war schon immer da. Ich habe
nur den Stein außenherum weggeklopft."

Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass in der Planungsphase des erbgroßherzoglichen Palais manche Freiherren Göler von
Ravensburg als Hofmarschalle des Großherzogs Friedrich I. in Karlsruhe zu Diensten waren, Ein Hofmarschall war der
oberste Verwaltungsbeamte des Hofes. Diesem oblag die Beaufsichtigung aller Wirtschaftseinrichtungen des Hofes
sowiej die Organisation von Hauswesen und Instandhaltung der Gebäude. Er stand in direktem Kontakt zur seiner
großherzoglichen Majestät.

Diese Tatsache legt die Vermutung nahe, dass unsere Freiherren Göler auf welche Art auch immer,
hinter den Kulissen manche Fäden gezogen haben. Vielleicht haben wir dieser Fügung jenen glücklichen
Umstand zu verdanken, dass seine großherzogliche Majestät und der Architekt Josef Durm von dem
gelben Sulzfelder Sandstein überzeugt wurden.

 


 

Steine für das Kriegerdenkmal 1914 / 1918

Als letztes bedeutendes Objekt wurden die Steine für das Kriegerdenkmal 1914/1918 aus dem
Jägerfritz-Steinbruch entnommen. Der Aufbau dieses Denkmals, welche unter der Federführung
des Militärvereins und des Artillerieverbundes stand, wurde am 20. November 1934 auf dem
abgetretenen Gelände der Brauerei Weigert in der Hauptstraße, Ecke Bahnhofstraße eingeweiht,
Der Grund und Boden des Jägerfritz-Steinbruches gehörte der evangelischen Kirche, welche die
Entnahme für die erforderlichen Steine kostenfrei zur Verfügung stellte. Das günstige Spätjahrwetter im
Jahre 1934 hat dazu beigetragen dass das gewaltige Objekt zur Einweihung termingerecht fertig wurde.
So wurden die Steine von erwerbslosen Wohlfahrtsempfängern gebrochen. Diese Beschäftigung hat
schon im Anfangsstadium sowie beim Aufbau wirtschaftsbelebende Auswirkungen gehabt. Durch die
örtliche Bauleitung von Steinhauermeister Fritz Maler in Zusammenarbeit mit dem Eppinger Architekt Faller
sowie dem Denkmalausschuss und der Gemeindeverwaltung wuchs das Ehren- und Mahnmal schnell aus
der Planung heraus und strebte seiner Vollendung entgegen.
Die architektonische Form dieses Mahnmals stellte im Grundriss und der Umfassungsmauern die Form eines
liegenden Stahlhelms dar. Diese Mauer war 2,70 m hoch und trug in der inneren Mauerfläche sechs
symmetrisch aufgestellte Ehrentafeln. Die im selben Abstand angebrachten Tafeln trugen die Namen der
128 Gefallenen, Vermissten und den an ihren Kriegsleiden Verstorbenen. Die Gesamtlänge der
Umfassungsmauer betrug 14 m bei einer Tiefe von 5 m.
Als altdeutsches Mauerwerk mit so genannten Bossenquadestein war die Umfassungsmauer aufgebaut.
Der vorzüglich sprechende Ausdruck des verwendeten gelben Sulzfelder Sandsteins zeigte sich wieder
einmal als gelungenes Konzept. Dieser erwähnte „sprechende Ausdruck" wurde vor allem in der 10 m hohen
Prismensäule dargestellt, welche aus glatten Sandsteinquadern nach oben verjüngend aufgeführt wurde und
mit einem Steinkreuz in Form des „Eisernen Kreuzes" abschloss. Die schlichte Säule ohne Dekoration, Schnörkel
oder Verzierung trug einzig in der dem Betrachter zugewandten Seite die Inschrift:

Unseren

Helden

1914 - 1918.

Es war wohl der Verzicht auf jeglichen Schmuck der blanken, nackten Säule, welche den kalten
Atem einer tiefgefrorenen Mahnung vermittelte.

 


 

Stolz der Steinhauer

Es wurde von mir festgestellt, dass sich die Sulzfelder in ihrer Steinhauerarbeit recht gut und stolz profilierten.
Fachwissen und Können gingen einher mit Mühe und ehrlicher Arbeit. Freude, Genugtuung und Handwerkerehre
sprechen zu uns aus manch alten Bildern. So existiert auch ein Farbfoto (siehe unten) aus der guten, alten Zeit.
Das Foto entstand 1903 beim Bahnhof, vor einer typischen Steinhauerhütte.

Abgelichtet sind 22 Steinhauer, die mit sichtlich stolzgeschwellter Brust um ein romanisch gehauenes Profilsegment
positioniert sind. Hinter dem schmucken Steinelement stehen zwei vier- bis fünjährige Jungen mit übergroßen Hüten
und freuen sich mit den neben ihn stehenden Vätern.

An den Gesichtsausdrücken der beiden Poliere ist unschwer abzulesen, dass auch sie
mit der gelungenen Arbeit zufrieden sind.


Am 14. Oktober 1879 wurde die Kraichgaubahn von Karlsruhe nach Heilbronn durch den Großherzog feierlich eröffnet.
Dies war der eigentliche Aufschwung für das Sulzfelder Steinhauerhandwerk. Mit dem Gleisbau war eine moderne
Infrastruktur für unseren Kraichgau notwendig. Es wurden Tunnele, Ober- und Unterführungen sowie eine große
Anzahl an Bahnhöfen, Güterhallen und Bahnwärterhäusern benötigt. Es war eine Selbstverständlichkeit, dass bei
einem Großteil dieser Bauten Sulzfelder Sandstein verwendet wurde. Nun wuchs der gelbe Sulzfelder Sandstein
über Sulzfeld hinaus und wurde im schon erwähnten Erbprinzenpalais, dem Hauptbahnhof, dem Feuerwehrhaus,
der Infanteriekaserne und dem LessingGymnasium in Karlsruhe verwendet. Auch findet man den Sulzfelder Sandstein
in mehreren herausragenden Karlsruher Wohnhäusern der Weinbrennerstraße, der Yorkstraße und der Nelkenstraße.
Ebenso wurden die evangelische Kirche von Forst und das Schulhaus von Grötzingen aus Sulzfelder Sandstein gebaut.
Und in der Freiburger Christuskirche weisen die Firstzinnen aus Sulzfelder Sandstein geradewegs in den Himmel. Im
Waisenhaus in Rastatt beherbergt unser Stein die Kinder. Im Badischen Bahnhof in Basel fahren die Züge an Sulzfelder
Steinen vorbei. Ferner wurden ganze Postgebäude in Pforzheim, Heilbronn, Mannheim und Heidelberg aus Sulzfelder
Steinen gebaut. Nicht zu vergessen sind die berühmt berüchtigten Steinlieferungen für die Schule nach Weinheim an
der Bergstraße, welche in den Steinanekdoten zu Wort kommen. Auch am Straßburger Münster sind verschiedene
Teilobjekte aus Sulzfelder Sandstein erneuert worden.

Für all diese Gebäude haben die unten aufgeführten Sulzfelder Steinhauerbetriebe folgende Steine geliefert:

Hau- und Quadersteine, Fuß- und Sockelgesimse, wasserabführende Sohlbänke, Tür- und Fenstergewänder,
Haupt, Gurt- und Traufgesimse, Quader- und Blockverblendungen, Saum-, Rand- und Wandgliederlisenen,
profilierte, ausgeprägte Fassadenziersteine. Die Auflistung der Sulzfelder Steinhauerbetriebe erfolgt im Alphabet.

• Antritter Gottfried
• Beisel Gerhard,
• Dups Jakob
• FundisAdam
• Himmelsbach + Cie
• KernAIois
• Kern Alfred
• Kern David
• Kern Johann
• Klebsattel Christian
• Meergraf Johann
• Mohr Philipp
• Maier Fritz
• Maier Wilhelm
• Mayer Gottfried
• Mehl Friedrich + Söhne
• Schadt Karl
• Schmidt Christian
• Schuldt Wilhelm
• Teutsch David

Diese  Steinhauerbetriebe wechselten je nach Ergiebigkeit und Betriebsgröße zwischen dem
Jägersitz-, dem Jägerfritz-, dem Schaibern- und Rieth-Steinbruch hin und her.

 


 

Die Steinhauer der Familie Kern

Der Steinhauermeister Johann Jakob Kern als Begründer der Steinhauerfamilien Kern, brachte 1902
im Schaibern-Steinbruch unter seinem Motto ,Das geht und das muss gehen", seinen Betrieb zum "Gehen"
und bearbeitete die Sandsteine. Der Sulzfelder Totengräber Fritz Häge wurde sein erster Arbeiter.
Johann Kern ließ im Jahre 1911 den ersten vollschwenkbaren Kran von der Schlosserei Simmel aus
Kürnbach aufstellen, Nun sollte Alles besser werden. Schon Johanns Sohn David Kern hatte 1920 bis
zu 16  Steinhauer beschäftigt. Er belieferte viele der schon erwähnten, weit entfernt liegenden,
staatlichen Bauten mit Sulzfelder Sandstein. Als Alfred Kern, der zweite Sohn von David Kern, 1926 die
Lehre im väterlichen Betrieb begann, waren in Sulzfeld nur noch sieben Steinhauerbetriebe tätig.
Die mageren Zeiten der Inflation waren natürlich keiner Industrie förderlich. Von Jahr zu Jahr gab es
weniger zu tun. So dezimierten sich auch die Sulzfelder Betriebe mit jedem Jahr. Alfred Kern konnte,
nachdem er den großväterlichen Betrieb von seinem Vater David übernommen hatte, zwar noch bis
zu acht Mann beschäftigen, das Material aber konnte nicht mehr mit den neueren und besseren Maschinen
mithalten. Dies bedeutete 1951 das Aus im Schaibern-Steinbruch. Ein letzter, vergeblicher Versuch galt
noch dem Jägerfritz-Steinbruch, der aber auch nicht die nötige Größe des Materials sicherstellen konnte.
Alfred Kern sah sich 1954 genötigt, als letzter Sulzfelder Steinbruchunternehmer den Betrieb wegen
Unrentabilität einzustellen. Bis zu seiner Pensionierung gab es nur noch die Möglichkeit, sein Können im
Mühlbacher Steinbruch unter Beweis zu stellen. Sein Sohn Wolfgang erlernte ebenfalls das altehrwürdige
Familienhandwerk der Steinhauer. Dies bedeutet, dass die Steinhauer der Familie Kern weiterhin aktiv sind.
Wolfgang Kern bleibt auch gegenwärtig in seinem rüstigen Rentenalter mit der Sandsteinverarbeitung sehr
eng und intensiv verbunden. Sein Sohn Thorsten Kern erlernte ebenfalls das Steinhauerhandwerk.
Er betreibt in naher Zukunft ein Planungsbüro für alle Arten von Steinbauten. Diese Planungen werden in
einem sanierten, altehrwürdigen, typischen Sulzfelder Steinhaus vorgenommen.
Das Steinhauergen der Kerns schien sich auch über EIsa Lilli, geb. Kern, weiterverpflanzt zu haben,
denn ihr Enkel Karlheinz Lilli ist als gelernter Steinhauer im den alteingesessenen Maulbronner
Steinbruchunternehmen Burrer-Lauster tätig. 'Er baute in Sulzfeld zum Gedenken an die vielen
Steinhauervorfahren sein privates Domizil als ein besonderes Steinhauerjuwel mit dekorativen
Ziergliederprofilierungen und mit einmalig herrlich anzuschauender Fernsternischenornamentik.

 


 

Abwendung vom Sandstein

Schon ab 1950 zeichnete sich eine stetige Abkehr vom Sandstein ab. In immer größerem Maße
wurde das Baumaterial industrialisiert. Die Nachkriegszauberworte ~neu, besser, billiger, schneller
und pflegeleichter stahlen jedem Handwerk sein Auskommen. Dazu der Reiz des Exotischen und
des Ungewöhnlichen, schon schlitterte der Sandstein mit anderen altbewährten Materialien in
Richtung Abstellgleis. Anführen will ich hier nur den Hanf, der noch 250 Jahre zuvor wertvoll
genug war, um Kriege zu führen.

Jetzt aber gab es ,Kunststein, Kunstfaser und Kulturbanausen, schneller, pflegeleichter, Ex und Hopp!"
Die Wegwerfgesellschaft wurde gezüchtet. Die Makadam-Decke hielt ihre Eroberungszüge und
verdrängte die geschotterten Straßen, Feld- und Waldwege. Gartenmauern wurden aus gebrochenen
Betonblöcken erstellt. Die Eingangsstufen sind betoniert und mit Granit belegt.

Selbst die Grabmale unserer Verstorbenen durften kein Moos mehr ansetzen. Gehen wir durch die
Reihen unserer Verstorbenen, die hinter dem geheimnisvollen Vorhang zu unseren Ahnen reiften,
stellen wir fest, dass, auch wenn sie in heimischem Boden aufgenommen wurden, blicken sie auf
unheimliche Gedenksteine herab: Blauer Lapislazuli, weißer Carrara, grüner Travertin über rotem
Rhodochronit zu hellgrauem Impala und, weil er gerade im Sonderangebot war, Basalt- oder Diagogneis.
So mancher Steinhauer würde sich im Grab umdrehen, wenn er das zu Gesicht bekäme.
Wären die Grabmale aus heimischem Sandstein hergestellt worden, würden hier Arbeitsplätze entstehen
und man könnte den fortschreitenden Verfall des Toten oben an der Patina, dem Moos, den Rissen und
den Abplatzungen des Grabsteins nachvollziehen.

 


 

Das Sulzfelder Steinhauerhaus

Das typische Sulzfelder Steinhauerhaus war in seiner Anordnung und Bauweise einmalig. Nirgendwo sonst wurde
so gebaut. Es war fast immer zwischen größere Nachbarhäuser eingezwängt und gab durch seine schmale,
erdgeschossartige Bauweise und dem 45° steilem Dach kein herausragendes Erscheinungsbild ab.
Daher wurde es wenig beachtet und mit dem fast gleichartigen Taglöhnerhäuschen von der rasanten
Entwicklung überrollt. Meist von den Nachbarn erworben, wurden sie abgerissen, eingeebnet und vergessen.
In der Steinhauerhochkonjunktur (1850 - 1950) gab es in Sulzfeld viele dieser einfachen, aber praktischen
Steinhaueranwesen. Ein abhängig beschäftigter Steinhauer oder Taglöhner konnte sich ein solches Haus nur
durch zurückhaltenden AIkoholgenuss und nicht aufmüpfiges Verhalten gegenüber den alles beherrschenden
Freiherren von Göler leisten. Das Sulzfelder Steinhauer- und Taglöhnerhaus war fast immer auf einem schmalen
Grundstück von ca. 9m Breite, mit dem Giebel zur Straße hin, erbaut. Neben dem Haus verlief die schmale, ca. 4m
breite Hofeinfahrt, welche mit Sandsteinabraum befestigt war. Steinhauer und Taglöhner, die es sich leisten konnten,
errichteten zur Straße hin ein Flügeltor, dessen beschränkte Größe durch die schmale Einfahrt vorgegeben war.
Da diese Steinhauer- und Taglöhnerhäuschen meist in den tiefer liegenden, innerörtlichen Lagen erbaut worden
waren, durfte deren Keller wegen des nachdrückenden Grundwassers und Schwabbellehmbodens nur 1,30 m tief
aufgehoben werden.

Aus diesem Grund wurde bei vielen dieser'Häuschen auf den Keller ganz verzichtet. Um eine Kellerdecke von wenigstens
1,90 m Höhe zu erreichen, mussten,die Kellerwände etwa zwei Fuß über dem Straßenniveau mit Sandsteinblockquadern
errichtet werden. Die Erdgeschossdecke wurde mit Balken, die im Abstand von ca. 60cm verliefen, gezimmert. Auf der
Innenseite der Balken wurde mit der Texel eine Fuge geschlagen, in die Schwartenbretter eingefügt wurden.
Die Zwischenräume waren zum Rieselschutz mit Zeitungspapier oder Karton ausgelegt und für die Isolierung mit Schlacke
aufgefüllt. Anschließend wurde der FußboGlen selbst mit ,Stumpfen", ca. 28mm stark gesägten Brettern verlegt.
Die tragenden Außenwände waren oberhalb des Kellers im einfachen Holzständersystem errichtet. Danach wurden die
Gefächer dazwischen mit Weidengeflecht verklemmt, mit einer Lehm-Stroh-Mischung verfüllt und beworfen. Abschließend
wurden diese Wände beiderseits mit einem Kalkputz verglättet.

Sämtliche Fenster und die Haustür wurden in kantige, unprofilerte Sandsteingewänder zwischen den etwa 90cm auseinander
stehenden Holzständern eingebaut. Vor den einfach verglasten Kreuzstockfenstern waren hölzerne in Eisenkloben eingehängte
Klappläden an den beiden senkrechten Seiten der Sandsteingewänder befestigt.
Den Wohnbereich betrat man bei unterkellerten Behausungen über außen versetzte Sandsteinblockstufen. Gleich hinter der einfachen, hölzernen Eingangstür, welche meist nicht abgeschlossen war, lag der mit Sandsteinplatten ausgelegte kleine Hausflur. Dieser erstreckte sich in einer Breite von ca. 1,20m bis hin z~? nur 5m entfernten Brandmauer. Bei Häuschen ohne Keller waren diese Platten meist feucht und oft rutschig, da sie direkt auf dem Erdboden verlegt waren. Gleich rechts im Haus ging man über eine 10cm hohe Türschwelle in die Wohnstube. Die daneben befindliche Küche wurde entweder von der Wohnstube aus oder dem Hausgang betreten. Kurz vor der hinteren Stirnwand dieser Diele, in unserer Mundart auch „Ern" genannt, führte eine einfache, hölzerne Wangentreppe zu den Dachkammern.
Die erste Kammer unter der Dachschräge, oberhalb der Küche, war meist das elterliche Schlafgemach. Selbiges wurde nur durch die in der Küche stehende Herdstelle schwach erwärmt.

Die zur Straße hin gelegenen Kinderzimmer waren meist nicht ausgebaut. Geschlafen wurde auf strohgefüllten Säcken und der Wind pfiff durch die schindelgesteckten Biberschwänze. Von dem „Ern" führte eine dreistufige, schmale Holztreppe hinter das Haus zu dem mit Laub eingestreuten Ziegenstall. Dieser sowie der sich anschließende Schweinestall waren mit einem Schlappdach abgedeckt. Auf dessen Zwischendecke wurde das gespaltene Brennholz fein säuberlich gestapelt. Am Ende der dicht gedrängten Bebauung befand sich ein Schuppen, der einseitig zum Hof hin offen und gänzlich aus Holz errichtet war. Hier war die private Steinhauerwerkstatt des Hausherren untergebracht. Darin meißelte er im Winter für einen geringen Nebenverdienst bei Schnee und Eis aus anfallenden Resten.  An diese Werkstatt füge sich noch der Hühnerstall an. Dahinter lag der dürftige Kraut oder Gemüsegarten, in welchem sich auch der Misthaufen befand. Letzterer war bei den Steinhauern mit SandsteinplaËen eingefasst. Bei den Taglöhnern war der Misthaufen nur mit Holzstickeln eingefasst. Der Garten aber war durch bengelartige Bohnenstecken abgetrennt. Das sich frei bewegende Federvieh, bestehend aus Hühnern, Gänsen und Enten, konnte dadurch keinen Schaden anrichten. Da Ende des Flurstücks war mit Äpfel-, Birnen- und Zwetschgenbäumen bepflanzt. Dessen Grundstücksecken wurden nach Brauchtum mit Fliederbüschen versetzt. Diese Steinhauer oder Taglöhner waren bis auf das Mehl, den Senf (ursprünglich Magenmedizin) und das Bier Selbstversorger.
Bei einem Gang durch Sulzfeld finden wir noch hier und da manche dieser Steinhauer- oder Taglöhnerhäuschen, die bisweilen liebevoll und fachkundig renoviert wurden. Der Grund für die ehemals große Anzahl dieser Häuschen ist auf die 800-jährige Herrschaft der Freiherren von Göler, die Sulzfeld über 800 Jahre unter dem Joch hielten, zurückzuführen. Nur Wenige fanden, meist durch Ab- oder Auswanderung aus dem Joch heraus. Die Mehrzahl blieb aber auf dem Stand der Steinhauer, Geißenbauern, Taglöhner und Gipsmüller.
Das einzige Sulzfelder Steinhauerhaus kann man noch in der Hauptstraße 79 (Bopp) am vorderen Teil im Originalzustand sehen.
Das Gebäude der Puppenstube (Hauptstraße 3) das Familie Riel entspricht sowohl in den Ausmaßen als auch der Dachform dem beschriebenen Steinhauer- und Taglöhnerhaus. Die Erhaltung dieses Sulzfelder Kleinods und dessen fachkundige Renovierung nach alten Vorlagen kann nicht hoch genug geschätzt und anerkannt werden. In diesem Zusammenhang darf erwähnt werden, dass Annetraud Riel aus der Sulzfelder Steinhauerdynastie Kern abstammt. Ihr Vater war der letzte aktive Sulzfelder Steinhauermeister. Auch ihr Bruder und ihr Cousin sind heute noch in der Sandsteinbearbeitung tätig.
Wünschenswert wäre, wenn weitere Sulzfelder Besitzer diese kulturelle Bausubstanz weiterhin erhalten und fördern,
um deren verdienter Würdigung gerecht zu werden.

 


 

Geschichten und Anekdoten


Die Anekdote vom leeren Essgeschirr

Es war eine alte Sitte, dass Mütter und Frauen ihren Söhnen und Männern zur Mittagszeit das Essen auf dem Kopf tragend in die Steinbrüche brachten. So lieferten gruppenweise die Frauen das tägliche Mittagessen für zehn Pfennige pro Essen zu den hungrigen Steinhauern. In den gefiochtenen Wäschekörben konnten die Frauen bis zu zehn Essen, abgefüllt in ovalen Blech- oder Alugeschirren mit Klemmdeckelverschluss, verstauen. Um die Wärme für den eine Stunde dauernden Transport zu halten, wurde der Korb mit Stroh oder Heu isoliert mit Tuch ausgeschlagen und abgedeckt.

Es gab aber immer mal Zeiten, in denen die Bierstrichliste am Kiosk oder Gasthof länger war als der Verdienst. Das sind die glorreichen Zeiten, in denen die bessere Hälfte entscheidet, wie es weitergehen soll. Manche Frauen waren beeindruckend erfinderisch, dieses Übel abzustellen, Sie suchten und fanden Wege, auch ohne Psychologen, etwas tiefer in das Unterbewusste ihrer Mannsbilder vorzudringen.
So lieferte einmal eine ganz Schlaue ihrem Vermählten ein leeres Essgeschirr. Als der Hungrige dieses öffnete, fand er auf dem leeren Boden nur eine einsame Gabel liegend, die ihm recht ironisch Rätsel aufgab. Seine Holde aber bedrängte ihn, doch endlich kräftig zuzulangen und richtig zu essen. Entwaffnend, aber mit Bauernschläue begabt, erwiderte er spöttisch, „jetzt ess i heid erschd recht nix“ und schloss laut kleppernd das Essgeschirr. Ich kann mir recht gut vorstellen, dass das Denken bei diesem durstigen Steinhauer irgendwann einsetzen
musste und die Bierstrichliste wurde nicht mehr länger als der Verdienst.
 

Die Geschichte der verbogenen Äste

 
Der Sulzfelder Ortspfarrer und Dekan des Kirchenbezirks Eppingen, Emil Purpus, besuchte 1896 wieder einmal seine Steinhauerschäfchen im Steinbruch. Es war an einem Montag, an dem die Steinhauer meistens „blau" machten. Auf einer 200-jährigen Eiche, die bis zu den Ästen mit Steinschutt angefüllt war, lungerten, saßen und lagerten eine große Anzahl an betrunkenen Steinhauern. Es war Sommer, heiß und durstig, deshalb boten die verbogenen Äste der alten Eiche mit ihren noch grünen Blättern den johlenden Steinhauern ihren benötigten Schatten. Pfarrer Purpus hat zu seinem Entsetzen diese Trunkenbolde in flagranti ertappt. Sie begrüßten ihn feucht fröhlich und forderten ihn auf, auch einen kühlen Trunk unter den verbogenen Ästen der alten Eiche zu sich zu nehmen, Er lehnte ab und verließ zornesrot im Gesicht fluchtartig den Steinbruch. Am folgenden Sonntag machte Dekan Purpus seine Wahrnehmung im Steinbruch zum Gegenstand einer heftigen Moralpredigt an die Gemeinde. Er ermahnte die Familienväter zu einer gesitteten Lebensweise. Nach der Überlieferung wetterte Pfarrer Purpus mit folgenden Worten von der Kanzel: „Als ich die Steinbrüche betrat, bogen sich die Äste unter der Last der Betrunkenen."
 

Die Attacke einer Wasserholaktion

Die Standpredigt ihres Pfarrers haben sich die Steinhauer zu Herzen genommen und tranken bis in den Nachmittag hinein kein Bier mehr, sondern Wasser. Allerdings musste es frisches Quellwasser von der Kohlbach sein. Die Lehrlinge mussten das Wasser flugs und sofort holen. Jede Steinhauergruppe hatte sicherheitshalber ihre Lehrlinge zeitversetzt zum Wasserholen geschickt. Das nützte aber nichts, denn sie sind trotzdem im Wald beim Herum strolchen zusammen getroffen, vergaßen das Wasserholen und wehrten um die Kohlbachquelle eine nachgestellte Attacke der Franzosen ab. Die Steinhauer waren fast verdurstet und konnten ihre staubigen Kehlen nicht mehr frisch halten. Die Lehrlinge kamen mit den vollen Suttenkrügen einfach nicht wie üblich pfeifend und rechtzeitig zu den Arbeitshütten zurück. Sie waren über eine Stunde verschollen. Jetzt wurde des dem Steinhauermeister Kern zu dumm. Er nahm einen Stock, umwickelte ihn vorne mit Stroh und ging in Richtung Kohlbachquelle. Sein eigener Lehrling sah ihn kommen und suchte schnell einen verborgenen Weg, auf dem er gebückt und unbemerkt, aber mit vollem Suttenkrug entwischen konnte. Die Lehrlinge der anderen Steinhauermeister sind nicht abgehauen und haben dem wutentbrannten Steinhauermeister Kern schreiend mitgeteilt, ,wir schaffen doch nicht bei Euch, deshalb dürfen Sie uns auch nicht verhauen." Meister Kern antwortete ,das ist mir jetzt egal, heute bekommt Ihr alle Streiche."
Bei dieser Attacke schlug Meister Kern auch den Suttenkrug eines anderen Meisters kaputt. Als er schnaubend vor Wut zu seiner Bauhütte zurückkam, fragte ihn sein eigener Lehrling, ,ha, wo waren Sie denn so lange. Hier ist das frische Quellwasser." Der Meister, seine Arbeiter und zum Schluss der Lehrling löschten ihren Durst und alles war gut.
 

Die Steinstory von Weinheim

Alfred Kern erhielt in seinen Lebenserinnerungen eine historische Begebenheit seines Großvaters Johann Kern fest.
Es betrifft den Schulhausneubau mit Sulzfelder Sandsteinen in Weinheim an der Bergstraße.
Der Transport der vorgearbeiteten Sandsteine erfolgte mit der Eisenbahn nach Weinheim. Dort angekommen, gestaltete sich schon zu Beginn das Verhältnis zu dem Polier der Baustelle als schwierig. Er verweigerte die Abnahme der angelieferten Sandsteinblöcke. Obgleich selbige eiligst ersetzt und nachgeschickt wurden, fanden sie erneut weder Abnahme noch Vergütung. Somit spitzte sich die Krise an der Bergstraße zu, die Arbeit blieb liegen und die Maurer haben sich auf Kosten des Steinhauermeisters Johann Kern kräftig einen hinter die Binde gegossen.
Bei der dritten Anlieferung wollte sich aber Johann Kern die Angelegenheit trotz penibel kontrollierter Steine nicht entgehen lassen. Der Weinheimer Bauführer begann nun abermals nach seinem Gutdünken Steine auszusortieren und abzulehnen. Ein Wort gab das andere und jetzt platzte Johann Kern der Kragen. Er schlug mit einem krummgewachsenen Stock solange auf den Polier ein, bis dieser zusammensackte. Danach wurde Johann Kern verhaftet und hinter Schloss und Riegel gebracht. Dort beobachtete er sehr genau die gehauenen Steine der Zuchthausmauer und stellte fest, dass deren Passgenauigkeit auf keinen Fall besser war, als die seinen.
Die Belieferung der Steine für den Schulhausneubau wurde ihm entzogen und seine Steine per Reichsbahn zum Rückzug befohlen.
Der Bausteinauftrag wurde danach an einen Mühlbacher Steinbruchbetrieb vergeben. Der neue Zulieferer aus Mühlbach hat die Kern'schen Steine übernommen und ohne Abladen oder irgendwelche Änderungen vorzunehmen, mit dem gleichen Reichsbahnzug nach Weinheim zurückgeschickt. Jetzt wurden die gleichen Steine von dem zwischenzeitlich wieder auf den Beinen stehenden Polier anstandslos abgenommen.
Johann Kern wurde nach drei Tagen wieder aus dem Gefängnis entlassen und musste jetzt dies Alles zu seinem Entsetzen erfahren.
In Sulzfeld angekommen, hat er auf Anraten seiner Frau um eine Audienz bei Baron August von Göler ersucht. Der Baron war guter Laune, hat Johann empfangen und hörte seine Probleme an. Da die Bauleitung des Schulhausneubaus von Weinheim großherzoglich war, konnte der Baron durch seine Beziehungen die Angelegenheit regeln. Johann Kern bekam die gelieferten Steine bezahlt und sämtliche Unkosten fielen weg. Jetzt wurde ein Umtrunk mit einem dreifachen Hoch auf den Baron veranstaltet.

Manfred Himmel

 


 

Quellen- Bibliographien- Dank

Geologische Erlebnisse vom Prisma-Verlag

Allgemeine Geologie von Dieter Richter

Erdgeschichte Kraichgau von Erich Lachner

Topographische Karten 1:25000 Nr. 6819 und 6919

Geologie von Karl Schmid, Sternenfels

Sulzfeld von Bauern, Steinhauern und Edelleuten

Ortsfamilienbuch von Sulzfeld

Sulzfeld mit Ravensburg von Theodor Pfefferle

700 Jahre Mühlbach von Karl Dettling

Die Göler von Ravensburg von Ravan und Dieter Göler

Das Römermuseum von Stettfeld

Bundesgerichtshof,,Palais im Park" von K. H. Piper, Karlsruhe

Unsere Dorfsteinbrüche von W. Haug und Reinhard Schmid

Das Steinhauerbuch von Theodor Krauth

Der Steinmetz von A. Opderbecke

Baustilkunde von Wilfried Koch

Rund um den Ottilienberg, Band 3

Römerstraßen von Karl Dettling

Lebenserinnerungen von Alfred Kern, Sulzfeld

Literarische Teil-Realisation von Bernd Burgey

 

Dank für Hinweise und Informationen

• Margarete Förster, geb. Pfefferle, Sulzfeld

• Wolfgang Kern, Sulzfeld

• Günter Hertle, Sulzfeld

• Emil Lüdecke, Sulzfeld

• Wilhelm Hagenbucher, Sulzfeld

• Herbert Büchle, Sulzfeld

• Fritz Gegenheimer, Sulzfeld

• Wilfried Maler, Sulzfeld

• Manfred Mehl, Sulzfeld,

• Herbert Lilli, Sulzfeld

• Erich Frey, MQhlbach

• Werner Ege, Sulzfeld

• Bernd Burgey, Sulzfeld

• Karl Maler, Sulzfeld

• Heinrich Vogel, Eppingen

• Hans Hagenbucher, Sulzfeld

 


 

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