Das Männchen vom Schlossgarten

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Kategorie: HISTORIC
Erstellt am Freitag, 28. September 2012 14:46
Zuletzt aktualisiert am Donnerstag, 20. Juni 2013 11:16
Geschrieben von J. Riedinger
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Maennchen vom SchlossgartenDieses einmalige Männchen wurde 1898 in die Scheunenwandnische, Mühlbacher Str. 3, eingestellt und 2011 zur Restaurierung und zur anschließenden Präsentation herunter geholt.

Seine Entdeckung, seine Historie und sein Erscheinungsbild wurden von Manfred Himmel erforscht, dokumentiert und beschrieben.


Durch einen Hinweis im Mai 2010 von Emil Lüdecke auf das Männchen in der Scheunenwand-Nische, Mühlbacher Straße 3 wurde das Interesse von Manfred Himmel an der Sandsteinfigur an diesem außergewöhnlichen Standort geweckt. Anhaltspunkte über dessen Herkunft gab es keine.
Emil Lüdecke, Albrecht Weigert und einige andere Sulzfelder kannten das Männchen und seinen Standplatz schon seit längerer Zeit, haben aber über dessen historische Vergangenheit keine Anhaltspunkte entdecken können.

Es war nur bekannt, dass diese Scheune, im Eigentum von Rolf Treutle, mitten im ehemaligen östlichen Schlossgarten steht. Dieser gehörte zum unteren Schloss der Göler von Ravensburg auf der gegenüberliegenden Seite der Hauptstraße. Der Schlossgarten umfasste das Areal zwischen der Hauptstraße im Westen, der Königstraße (früher Geiststraße im Norden und Osten) und der Mühlbacher Straße (früher Hirschstraße) im Süden.

 

FriedrichsgartenHinter diesem sogenannten „Friedrichs-Garten“, heute Kaufhaus Westermann, war der Schlossgarten der Göler von Ravensburg, wo das Männchen bis 1880 in einer offenen Kapelle stand.

 

Aus den Akten geht hervor, dass 1630 auf dieses Schlossgartenareal das sogenannte alte Freihaus von Johann Bernhard I. Göler von Ravensburg, 1608 – 1652 (30), gebaut wurde. Interessant ist dabei, dass die Bewohner eines Freihauses keine Steuern bezahlen mussten. Des weiteren ist bekannt, dass Johann Bernhard II. Göler von Ravensburg, 1632 – 1694 (31), im Jahre 1660 den ganzen Schlossgarten mit Mauern umgab, Reste davon kann man noch heute hinter dem Kaufhaus „Westermann“ besichtigen.
In dieser Zeit war es bei den Adligen Mode, Statuen in ihren Gärten aufzustellen, welche in ihrer Mimik den Betrachter emotional berühren,
Das Ehepaar Johann Bernhard II. und Veronika, geborene von Sternenfels hatte 10 Kinder. Davon starben fünf in jungen Jahren. Als der 5. Sohn „Ravan“ am 02.02.1679 mit 9 Jahren und 3 Monaten starb, könnte dieser er als Ebenbild für das Männchen gedient haben, das von einem sehr begabten, aber unbekannten Steinbildhauer als betende Statue angefertigt und dann im Schlossgarten aufgestellt worden ist.

 

 

Auf dem Ortsplan-Ausschnitt von 1820, wo das westlich der Hauptstraße  gelegene untere Schloss und der östliche Schlossgarten vorne mit barockartigen Rabattenfeldern skizziert sind, kann man an der Grenzlinie zum heutigen Areal der Bäckerei Finck ein kleines Gebäude erkennen. Allen schriftlichen Hinweisen zur Folge muss dies die mehrmals erwähnte offene Kapelle gewesen sein.
Diese offene Kapelle kann nur vom Besitzer des alten Freihauses Eberhard Friedrich II. Göler von Ravensburg, 1704 – 1782 (48), erbaut worden sein. Weil seine Mutter eine geborene Trapp von Trappensee aus Heilbronn als Witwe allein im alten Freihaus wohnte und auch sie vier Kinder in jungen Jahren verloren hatte, stellte Eberhard Friedrich II. vermutlich zu ihrem Trost das andächtig betende Männchen in diese Kapelle. Im Zuge der Neugestaltung des Schlossgartens wurde 1780 das zerfallene alte Freihaus von Johann Michael Göler von Ravensburg, 1728 – 1815 (49), abgetragen, da man den Wohnsitz in den westlichen Hauptteil des neu erbauten unteren Schlosses und in das neue Freihaus verlegte. Beim Abriss des alten Freihauses wurde die offene Kapelle mit dem Männchen stehen gelassen, sonst wäre sie in dem alten Ortsplan von 1820 nicht mehr eingezeichnet.

Ortsplan 1820

 


Von 1780 – 1870 muss dann die Kapelle mit dem Männchen am östlichen Ende des Schlossgartens, als umsäumter Andachtsplatz gestanden haben.
Der Erbe vom Schlossgarten war Ludwig III. Göler von Ravensburg 1803 – 1873 (90).
Er wohnte in Daisbach und kaufte große Waldflächen in Sulzfeld und Daisbach, wodurch er in Geldnöte geriet. Sein Sohn Ludwig jun. 1833 – 1894 (91) konnte die Schulden seines Vaters nur durch Bauplatzverkäufe tilgen. Er verkaufte etwa ab 1880 sukzessive das komplette Schlossgartenareal an folgende Käufer:

Die heutige

Bei den nun folgenden Bautätigkeiten wurde auch die Kapelle abgetragen. Das Männchen muss dann durch nicht mehr zu ergründende Umstände in den Besitz von Ludwig Krüger gelangt sein. Ludwig Krüger wurde 1867 in der Friedhofstraße 8, im heutigen Anwesen von Margarethe und Kurt Förster geboren. Er kaufte den Bauplatz, Mühlbacher Straße 1, und erbaute 1897 vorne sein Wohnhaus und ein Jahr später dahinter seine Scheune, in deren Westgiebel er das Männchen in eine Nische von 80 x 35 x 25 cm hineinstellte.


Albrecht Weigert gab dem Männchen den Namen „Sonnenmännchen“. Zwischenzeitlich bekam es folgende Namen: „Andachtsmännchen“, „Schutzmännchen“, „Gott-sei-Dank-Männchen“, „Dankesmännchen“, „Fürbitte-Männchen“, „Maulbetscher Männchen“ und „Historisches Gebetsmännchen“. Alle diese Namen wurden verworfen, weil der Bezug zum Herkunftsort fehlte. Mit dem jetzt gefunden Namen „Das Männchen vom Schlossgarten“ wird erstens der Herkunftsort beschrieben und zweitens wird die Frage aufgeworfen, in welchem Schlossgarten es stand. Genau letzteres wollte man damit erreichen, um endlich einmal das vergessene untere Schloss aus seinem Dornröschenschlaf zu erwecken. Denn die meisten Zeitgenossen kennen in Sulzfeld nur das mittlere Schloss (Rentamt) und das obere Schloss (Amalienhof).
Am Montag, den 16. Mai 2011 wurde dann eigens zum Herunterholen des Männchens ein Gerüst von Wilfried und Albrecht Weigert aufgestellt. Danach konnte man über eine Leiter auf das Gerüst steigen und das Männchen aus der Nähe betrachten (Siehe Foto mit Emil Lüdecke undmir auf dem Gerüst). In den kommenden Tagen wurde dann das Männchen von mehreren Sandstein-Fachleuten aus Sulzfeld und Mühlbach begutachtet. Alle haben festgestellt, dass es aus lagerfreiem gelben „Kosak Sandstein“ samt der unteren Platte aus einem Stück heraus gemeißelt worden ist. Die Skulptur ist 70 cm hoch, 30 cm breit und 20 cm tief. Obwohl das Männchen aus dem härtesten Sandstein heraus gemeißelt wurde, zeigt es an den Händen, am linken Arm, an der Nase und an dem vorstehenden Knie Zerfallserscheinungen. Deshalb hat sich Wolfgang Kern bereit erklärt, das Männchen fachmännisch zu restaurieren.
Am Donnerstag, den 26. Mai 2011 wurde das Männchen von Wolfgang Kern, Albrecht Weigert, Hans Czech und Manfred Himmel von der Nische im Scheunengebäude herunter geholt.  
Die große Überraschung war, dass seitlich an der rechten Sockelfläche eine Trauerschleife mit einem kleinen Kreuz erhaben eingemeißelt ist (siehe Foto).

Dieses Zeichen ist aber kein Steinmetzzeichen, denn die sind grundsätzlich mit einem Dreieck, Viereck, selten mit einem Kreis, aber auf gar keinen Fall, wie dieses, mit einer Schleife versehen. Das kleine Kreuz auf der Trauerschleife könnte, nach meinen Recherchen, ein Pestkreuz sein. Diese These wurde aber von mehreren Historikern in Frage gestellt.
Deshalb haben wir auch das Männchen nicht „Pestmännchen“ genannt. Diese These mit dem Pestkreuz stützt sich darauf, dass im Dreißigjährigen Krieg 1634 mitten in der Barockzeit die halbe Sulzfelder Bevölkerung durch die Pest dahingerafft worden ist.

Veronika von Sternenfels, 1635-1690 (31), die Frau von Bernhard II. Göler von Ravensburg und Mutter von Ravan, unserem möglichen Ebenbild des Männchens, könnte als fromme Frau veranlasst haben, dass dieses Kreuz auf die Trauerschleife, vielleicht doch mit Bezug auf die vorübergegangene Pest, aufgemeißelt wurde. Sie stammt aus dem Uradel von Sternenfels, Kürnbach, Ochsenburg und Zaberfeld, wo in den Kirchen zum Teil heute noch Grabdenkmäler ihrer Familie, mit sehr frommen Inschriften zu sehen sind.
Durch all die aufgeführten Besonderheiten, welche das Männchen auszeichnen, muss es nach meiner Meinung einmalig sein. Diese Einmaligkeit wird durch seine kniefällige, andächtig betende Darstellung und durch seine feine Detailverarbeitung, untermauert. Das besondere Erscheinungsbild des Männchens bleibt jedem Betrachter in Erinnerung.
Alle genannten Daten und Ereignisse können in der Genealogie der Göler von Ravensburg unter der in Klammer stehenden Nummer im Sulzfelder Grundbuchamt eingesehen werden. Das Männchen kann seit Juli 20212 im Foyer des Rathauses besichtigt werden.

Bei diesem Projekt haben folgende Personen aktiv und passiv mitgearbeitet:

Wolfgang Kern
Albrecht Weigert
Hans Czech
Emil Lüdecke  
Wilfried Weigert
Wilfried Maier

Manfred Himmel
Heimatforscher und Mitglied der Sulzfelder Heimatfreunde

 

Diese Fotos zeigen den Zustand des Männchens in der Scheunenwandnische,
Mühlbacher Straße, am 15. Mai 2012, einen Tag vor dem Herunterholen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Manfred Himmel und Emil Lüdecke bei der ersten näheren Betrachtung

 

 

 

 Hier sieht man den Scheunenwandgiebel, Mühlbacher Str. 3, ein rundes Lüftungsloch
und vor allem die Nische, in welcher das Männchen von 1898 – 2011, also 113 Jahre, stand

 

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